© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/02 23. August 2002


Deckname Artischocke
Menschenversuche des CIA
Holger von Dobeneck

War der Selbstmord des amerikanischen Chemikers Frank Olson doch ein Mord des CIA, da er zu viel über die Machenschaften seines Auftraggebers wußte? Anhand dieses Falls versuchen die Autoren Egmont R. Koch und Michael Wech gleich zweifach, als ARD-Sendung und als Buchdokumentation, Licht in das Dunkel geplanter Menschenversuche des US-Geheimdienstes zu bringen.

Seit 1945 versuchte die CIA, selbst nationalsozialistische Ärzte, die an Menschenversuchen in den Konzentrationslagern beteiligt waren, für ihr eigenes "brain-warfare" Programm zu gewinnen, um deren Erfahrung für eigene Menschenversuche auszuwerten. "Brain-warfare" beinhaltete alle Methoden der Bewußtseinsbeeinflussung durch Drogenexperimente mit LSD, Meskalin und Hypnose. Die CIA-Abteilung nahm dabei skrupellos den Tod ihrer menschlichen Versuchskaninchen - Kriegsgefangene, Waisenkinder und in ihrer europäischen Dependance sogar DDR-Übersiedler, aber auch Angehörige der US-Armee - in Kauf und Frank Olson mußte den letalen Verlauf so manchen Versuchs erleben. Einige Experimente wurden im Zusammenhang mit biologischer Kriegsführung unternommen, die einen zeitgleichen Einsatz von Anthrax im Korea-Krieg mutmaßen ließen, was Olsons Distanz zu seiner Behörde einleitete.

In einem Leitfaden dieses Geheimdienstes wurde neben der Verabreichung von Drogen an ahnungslose Opfer durch imprägnierte Zigaretten auch die beweisspurenlose "Beseitigung" von Menschen durch einen Sturz aus großer Höhe beschrieben. Ausgerechnet auf diese Weise fand dann auch Olson den "Frei"-Tod, indem er durch das geschlossene Fenster des dreizehnten Stocks eines Hotels in Manhattan zu Tode stürzte. Nach Olsons Tod wurde die Abteilung wegen der in der Öffentlichkeit verursachten Aufmerksamkeit geschlossen, dabei blieben die in Fort Detrick gebunkerten Anthrax-Bestände unberührt. Die Gefahr von Anthrax-Kontamination in den USA durch diese eigenen, nicht ausreichend gesicherten Lager sei wahrscheinlicher als externer Terrorismus, betonen Koch und Wech. Holger von Dobeneck

Egmont R. Koch, Michael Wech: Deckname Artischocke. Die geheimen Menschenversuche der CIA. C. Bertelsmann, München 2002, 352 Seiten, 23,90 Euro


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