© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/02 23. August 2002

 
"Dies ist ein böser Mann"
Naher Osten: US-Bellizisten und Israel wollen Krieg gegen den Irak / Saddam soll verschwinden / Zunehmende Kritik auch von US-Republikanern
Michael Wiesberg

Die Ansicht von US-Präsident George W. Bush, die USA besäßen das Recht, im Irak mit militärischen Mitteln einen Regimewechsel zu erzwingen, sieht sich inzwischen in "God's own country" wachsender Kritik gegenüber. Selbst führende Republikaner verweigern Bush nun die Gefolgschaft. Aufsehen erregte letzte Woche die Warnung des Ex-Sicherheitsberaters Brent Scowcroft, ein Irak-Angriff zum jetzigen Zeitpunkt würde den globalen Krieg gegen den Terrorismus ernstlich gefährden, wenn nicht gar zur Entgleisung bringen.

Scowcroft war zur Zeit des Golfkrieges 1991 Sicherheitsberater von Präsident Bush senior. Zuvor hatten bereits Ex-Sicherheitsberater Henry Kissinger, der republikanische Senator Chuck Hagel, der Führer der Republikaner im Abgeordnetenhaus, Richard K. Armey, und der Ex-Außenminister Lawrence Eagleburger Bedenken vorgetragen.

Doch die Falken in der Bush-Administration zeigen sich unbeeindruckt. Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice meinte letzte Woche in einem BBC-Interview, daß es moralische Argumente für den Sturz Saddams gebe: "Wir können uns den Luxus des Nichtstuns nicht leisten. Dies ist ein böser Mann, der, wenn ihm freie Hand gegeben würde, erneut Verwüstungen unter seiner eigenen Bevölkerung und, wenn er Massenvernichtungswaffen bekommt, unter uns allen anrichten würde."

Das Argument, Saddam bedrohe mit Massenvernichtungswaffen (WMD) die "freie Welt", gehört zum Standardrepertoire der US-Bellizisten. Doch ein Einsatz von WMDs gegen Israel oder gegen die USA hätte erst recht einen Gegenschlag zur Folge, der Saddams Regime wegfegen würde - aber der arabische Nationalist Saddam ist kein islamistischer "Selbstmörder".

Saddam Hussein ist kein Selbstmörder

Diesen Widerspruch haben einige US-Bellizisten inzwischen eingesehen. Sie behaupten zwar auch, daß Saddam WMDs besitzt. Diese wolle er aber nicht selbst einsetzen, sondern al Quaida zur Verfügung stellen, damit dieses Terrornetzwerk die "freie Welt" der Apokalypse zuführt. Dieses Argument wird trotz der offensichtlichen Feindschaft zwischen den islamischen Fundamentalisten von al Quaida und dem säkular-nationalistischen Baath-Regime von Saddam Hussein aufrechterhalten - und in den Medien eifrig nachgeplappert.

Auch das Argument, der Irak weigere sich, Waffeninspekteure in das Land zu lassen, wird vor allem dazu genutzt, das zurückhaltende Europa für den Irak-Angriff zu gewinnen. Doch inzwischen ist die Behauptung, die UN-Abrüstungskommission (Unscom) sei von den USA als ein Instrument der Provokation mißbraucht worden, um Vorwände für weitergehende Interventionen zu schaffen, durch viele Fakten erhärtet worden.

Die Bush-Administration ist nicht daran interessiert, erneut Waffeninspekteure in den Irak zu schicken. Hier läuft inzwischen eine Desinformationskampagne, die ausgerechnet von Scott Ritter, der die Unscom bis zu seiner Ausweisung aus dem Irak im Jahre 1998 führte, ein wenig erhellt worden ist.

Anfang Juli diesen Jahres behauptete Ritter in der Los Angeles Times, daß der Plan, Saddam Hussein zu ermorden sowie CIA und Special Forces in den Irak einzuschleusen, in voller Absicht den Medien zugespielt worden sei, um eine Wiederaufnahme der Waffeninspektionen zu konterkarieren. Ritter war es, der nach dem erzwungenen Ende der Inspektionen 1998 bezeugte, daß der Irak praktisch entwaffnet sei.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß die Bush-Administration schon deshalb nicht an einer Wiederaufnahme der Waffeninspektionen interessiert ist, weil diese belegen könnten, daß die ganze WMD-Hysterie nichts anderes als US-Kriegspropaganda ist. Damit aber wäre der casus belli vom Tisch.

Aus Israel kommt hingegen Unterstützung für den Bush-Kurs, in Bagdad ein Marionettenregime von US-Gnaden zu installieren. Die Regierung von Ariel Scharon befürchtet, daß Irak als Reaktion auf einen US-Angriff Raketen auf Israel abfeuern könnte, wie bereits 1991 im Golfkrieg geschehen. Die bis an die Zähne bewaffnete Atommacht Israel warnt vor angeblichen Angriffen mit den wenigen Scud-Raketen, die dem irakischen Diktator noch verblieben sind - wenn er überhaupt noch welche besitzt. Die Israelis behaupteten außerdem, daß ein in die Enge getriebener Saddam den Einsatz biologischer oder chemischer Waffen befehlen könnte - worauf dieser bekanntlich bereits im Golfkrieg 1991 verzichtete.

Wie bereits 1991 verfolgen die USA auch heute im Hinblick auf den Irak keine "moralischen Ziele", sondern betreiben eine knallharte Interessenpolitik. Eine Eliminierung des irakischen Diktators hätte den praktischen Nutzen, daß den USA die Kontrolle über das Öl des Persischen Golfs zufallen würde. Der Irak verfügt nach Saudi-Arabien über die größten derzeit bekannten Erdölreserven der Welt.

In Verbindung mit den US-Aktivitäten am Kaspischen Meer, in Zentralasien und anderswo ist Washington inzwischen dabei, sich ein Monopol über eine der wichtigsten Energiequellen der Welt zu verschaffen. Vor diesem Hintergrund wird auch jede deutsche Bundesregierung - sei diese nun rot-grün oder schwarz-gelb -den USA "rechtzeitig" Hilfe anbieten. Friedbert Pflüger beeilte sich bereits, für die Union die Marschrichtung vorzugeben: Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Bundestags trat für eine deutsche Beteiligung an einem Militärschlag gegen den Irak auch ohne UN-Mandat ein.

Bezeichnenderweise spielt die Frage, wieviele irakische Opfer eine derartige Intervention fordern würde, in der öffentlichen Diskussion keine Rolle. Sie spielte schon im Hinblick auf die Folgen der US-Embargo-Politik, denen Hunderttausende von Irakern, vor allem Kinder, zum Opfer fielen, keine Rolle. Wie bemerkte doch einst die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright: "Wir denken, es ist den Preis wert." 


 
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