© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/02 23. August 2002

 
Hochwasserhilfe statt Abfangjäger
Österreich: In der FPÖ machen sich Spaltungstendenzen bemerkbar / Neoliberale gegen Populisten
Carl Gustaf Ströhm / Jörg Fischer

Jörg Haider, seit zwei Jahren nur noch "einfaches Mitglied der FPÖ", fuhr seinen Parteifreunden in der Wiener Bundesregierung gleich zweimal innerhalb einer Woche in die Parade: Die Anschaffung von kostspieligen "Abfangjägern", die gerade erst auch von FPÖ-Ministern beschlossen worden war komme ihm vor, so Haider, als kaufe sich jemand, dessen Wohnung gerade erst verwüstet wurde, ein Luxusauto der Marke Rolls-Royce, nur um zu zeigen, was für ein toller Kerl er sei. Dabei hatte das ÖVP/FPÖ-Kabinett angesichts der Flutkatastrophe die Stückzahl schon von 24 auf 18 reduziert.

Das ganze wirkte daher wie eine schallende Ohrfeige des immer noch wichtigsten FPÖ-Manns für den gleichfalls freiheitlichen Verteidigungsminister Herbert Scheibner und für die Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wiederum bekräftigte hingegen letzten Montag die Regierungslinie zum Flugzeugkauf: "Ich kann und werde das nicht verantworten", sagte der ÖVP-Politiker im Nationalrat. Österreich sei wegen des Neutralitätsgesetzes zur Luftraumüberwachung verpflichtet, egal ob man neutral oder Mitglied eines Bündnisses sei. Kein Wunder, daß das linke Magazin Profil schon von einem "Schrecken ohne Ende" für die FPÖ frohlockt.

Zuvor hatte Haider im Kurier erklärt, er werde den Parlamentswahlkampf 2003 der FPÖ außerhalb Kärntens nicht unterstützen: "Die bisherige Arbeitsteilung gibt es nicht mehr, daß die Regierung das vornehme Oberhaus spielt und die Kanalräumerbrigade die Schutzarbeit macht". (JF 34/02)

Unschwer läßt sich schließen, daß der Landeshauptmann von Kärnten sich selber für einen "Kanalräumer" hält, der den FPÖ-Ministern die Kastanien aus dem Feuer holt, während diese sich staatstragend in Szene setzen. Daß im aktuellen Hochwassergebiet Vizekanzlerin Riess-Passer als zupackende Politikerin auftrat, indem sie selbst zur Schaufel griff und mit Gummistiefeln in FPÖ-Blau durch den Matsch stapfte, ändert an Haiders Kritik nichts.

Die neoliberale Politik der schwarz-blauen Koalition, die durch ihr Ziel "Null-Defizit" auch den "kleinen Leuten" in den Geldbeutel greifen mußte, kommt bei vielen Wählern - im Gegensatz zur Wirtschaft - nicht gut an. Ein Teil der FPÖ-Klientel, die im Oktober 1999 (Wahlergebnis: 26,9 Prozent) noch freiheitlich gewählt haben, könnte im kommenden Jahr der Urne fernbleiben oder gar zur SPÖ zurückkehren. "Mit einem disziplinierten Wahlkämpfer Haider könnte die FPÖ auf 23 bis 24 Prozent kommen. Nimmt Haider am Wahlkampf demonstrativ nicht teil, wird die FPÖ unter die 20-Prozent-Marke rutschen, schießt er quer, wohl näher bei 15 Prozent", prognostizierte Fritz Plasser vom Wiener Zentrum für angewandte Politikforschung im Profil.

Aber Haider hat, im Gegensatz zur FPÖ-Ministerriege, ein Gespür für Wählerstimmungen: Neben der Hochwasserhilfe sei die Steuerreform 2003 "zwingend und unverzichtbar, wichtiger als die Abfangjäger". Schließlich hatten 624.000 Wähler kürzlich für das - auch von SPÖ und Grünen genüßlich unterstützte - Volksbegehren gegen Abfangjäger unterschrieben. Dessen Organisator Rudolf Fußi, Chef der Kleinstpartei "Die Demokraten", träumt nun sogar davon, Protestwähler aus dem FPÖ-Reservoir zu gewinnen - die mediale Aufmerksamkeit scheint ihm gewiß. Nicht nur das Massenblatt Kronen Zeitung unterstützte Fußis Polemik gegen die 24 "Teurofighter".

Im Nachhinein war es vielleicht ein Fehler, daß Haider bei der Bildung der schwarz-blauen Regierung draußen blieb und sich später auch aus dem Koalitionsausschuß zurückzog. Denn in der FPÖ-Ministerriege zeigte sich nicht nur Dilettantismus, etwa im Umgang mit den Medien. Noch schlimmer war, daß ein Teil der FPÖ-Minister sich in kürzester Zeit "anpaßte". Von einem "rechtspopulistischen" Profil - selbst in der Zuwanderungsfrage - konnte bald keine Rede mehr sein. Einzelne Repräsentanten der immer auf "Anti-Privilegien-Kurs" eingeschworenen FPÖ zeigten sich sogar als wahre Spesenritter, die den "Altparteien" SPÖ und ÖVP in nichts nachstanden.

Und als jüngst Ewald Stadler sagte, Österreich sei nicht 1945, sondern erst beim Abzug der Besatzungstruppen 1955 befreit worden, fielen nicht nur Linke über den FPÖ-Volksanwalt her: auch die beiden FPÖ-Minister Scheibner und Karl-Heinz Grasser gaben ihrer "antifaschistischen Empörung" Ausdruck. Auch Haiders kürzliches Treffen mit EU-"Rechtspopulisten" stieß im FPÖ-Regierungslager weitgehend auf Unverständnis (JF 33/02).

Diese Beispiele offenbaren immer mehr, daß die FPÖ inzwischen aus zwei "Parteien" besteht: einer unangepaßten, "haider-populistischen" und einer neoliberalen, im Zeitgeist mitschwimmenden Gruppierung - wobei letztere ideologisch überhaupt nirgendwo verankert ist, es sei denn in der Freude an der Machtausübung.

Die linke Publizistik teilt die FPÖ schon (nach dem Vorbild der deutschen Grünen) in "Realos" und "Fundis" ein. Liberal seien die Vizekanzlerin und die jungen (angepaßten) Minister wie Grasser, der - parallel zu Joseph Fischer - zum angeblich "beliebtesten" Regierungsmitglied avancierte. Nationale "Fundis" seien Haider oder Stadler. Ohne diese "rechten Rüpel" (Profil) ließe es sich trefflich regieren.

Doch der 52jährige ist noch immer die einzige charismatische Führungsgestalt der Freiheitlichen - die Leute wählen die FPÖ nicht trotz, sondern wegen Haider. Haider, so sagte es neulich ein Beobachter der Wiener Szene, ist ein Populist, zumindest einige "seiner" Minister sind eher Karrieristen. An diesem Gegensatz braut sich der wohl unvermeidliche Machtkampf in der FPÖ zusammen. Spätestens nach der Wahl im Herbst 2003 wird er entschieden.


 
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