© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/02 23. August 2002


Flutkatastrophe
Leser helfen Lesern
Dieter Stein

Gestern erhielt die Redaktion den verzweifelten Anruf einer Leserin aus Dresden: Sie könne die JUNGE FREIHEIT nicht mehr weiterlesen, sie stünde vor dem Nichts. Schlagartig war uns klar, daß das Hochwasser natürlich auch JF-Leser betrifft. Die 58jährige, alleinstehende Friedda S. (Name ist der Redaktion bekannt) lebt in der Schäferstraße im Dresdner Stadtteil Friedrichstadt. Noch am Montagabend der vergangenen Woche legte sie sich ahnungslos ins Bett. In der Nacht wird Dresden-Friedrichstadt von der über die Ufer tretenden Weißeritz überflutet.

Als die Dame morgens aufsteht, stellt sie beim Blick aus ihrer Wohnung im fünften Stock fest, daß sich die Schäferstraße in einen Fluß verwandelt hat. Sie rennt kopflos aus dem Haus und versucht, sich zu einer nahegelegenen Tiefgarage durchzuschlagen, in der sie ihr mühsam erspartes Auto, einen drei Jahre alten Opel Astra, untergestellt hat. In panischer Eile stürzt sie und bricht sich den Knöchel. Der Weg war ohnehin sinnlos, die Tiefgarage war bereits vollgelaufen, das Auto rettungslos verloren. Friedda S. wollte in wenigen Wochen mit dem Auto umziehen. Frau S. ist Erwerbsunfähigkeitsrenterin mit einer Mini-Rente aus DDR-Zeiten. 17 Jahre hatte sie einen alten Wartburg gefahren und vor drei Jahren stolz den angesparten Opel erstanden. Nun ist alles dahin.

Inzwischen haben wir Kontakt zu weiteren Lesern aufgenommen. Die gute Nachricht: Viele haben Glück gehabt. Leser Bodo S. in Radebeul bei Dresden lief nur Wasser in den Keller und kam glimpflich davon. Überwältigt schildert er aber am Telefon: "Die Deutschen laufen zu Hochform auf!" Er sei begeistert über die Organisation und Perfektion, mit der Rotes Kreuz, Bundeswehr, THW und viele freiwillige Helfer zur Stelle gewesen seien. Der Einsatz der vielen tausenden Menschen sei ein Ruck, der durch Deutschland gehe, ein "Befreiungsschlag". Endlich habe die Jugend ein Ziel, so Bodo S. gegenüber der JF.

Ähnliche Stimmen hören wir immer wieder. Thilo B. aus dem ebenfalls schwer vom Unwetter in Mitleidenschaft gezogenen Glashütte wurde glücklich verschont. Auch er erzählt von den beeindruckenden Einsätzen der Helfer und vom Zusammenrücken der Menschen. Leser Ronny S. aus Torgau ist mit der Freiwilligen Feuerwehr unterwegs, Lars-Ove B. (27) aus Magdeburg stand mit an der Front und türmte mit Nachbarn und Freunden Sandsäcke auf. Günter S. (81), ebenfalls Magdeburg, half am Telefon bei der Organisation der Flutabwehr.

Bei einigen Lesern, die wir versuchten anzurufen, kam die Meldung der Telekom: "Defekt". So bei Lesern im total zerstörten Grimma. Leser wie Frau Friedda S. in Dresden wollen wir gerne direkt unterstützen und haben die Aktion "Leser helfen Lesern" ins Leben gerufen. Betroffene Leser, die vor dem Nichts stehen, können sich gerne bei uns melden. Für die Aktion haben wir ein Sonderkonto eingerichtet.

JUNGE FREIHEIT, Kennwort "Leser helfen Lesern", Kto 5728443024, BLZ 100 900 00, Volksbank Berlin.


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