© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/02 16. August 2002

 
BLICK NACH OSTEN
Ausländisch dominiert
Carl Gustaf Ströhm

Ist die vielgepriesene "Öffnung" der Märkte Mittel- und Osteu-ropas für die dortigen Völker ein ungeteilter Segen - oder kann sich in den postkommunistischen, seelisch wie materiell ausgelaugten Gesellschaften nicht bald Vernunft in Unsinn, Wohltat in Plage und Segen in Fluch verwandeln?

Mit einem gewissen Unbehagen nimmt der nachdenkliche Medienkonsument kürzlich zwei Zeitungsmeldungen zur Kenntnis. Da heißt es einmal, westliche Geldinstitute hätten sich 57 Prozent der Bankgeschäfte im Osten angeeignet. "Generell wird der Bankenmarkt in Mittel- und Osteuropa immer stärker von ausländischen Instituten dominiert", konstatiert selbstgefällig die Wiener Presse. Zitiert wird der Bank Austria-Vorstand Willi Hemberger, der am Ende den ausländischen Banken im Osten einen Marktanteil von 70 bis 80 Prozent prophezeit. Im Klartext heißt dies, daß fast alle postkommunistischen Staaten von ausländischen Geldinstituten beherrscht sein werden. Das kann gelegentlich von Vorteil sein - aber es kann sich auch zum Nachteil dieser Länder auswirken.

Ähnlich ist es im Medienbereich. So hörte man am Rande einer Grazer Medientagung von ehrgeizigen Plänen westlicher Konzerne, sich in osteuropäischen Ländern lukrative Zeitungen "unter den Nagel zu reißen".

Der sozialdemokratisch inspirierte WAZ-Konzern, in dem Ex-Balkan-Stabilitätskoordinator und Schröder-Intimus Bodo Hombach eine Schlüsselrolle spielt, hat auf das Belgrader Traditionsblatt Politika ein Auge geworfen. Der Grazer Styria-Verlag hat vor Jahresfrist bereits die größte Tageszeitung Kroatiens, den Zagreber Vecernij List gekauft, jetzt planen die Grazer Konzernmanager einen weiteren Schritt: sie wollen sich, laut FAZ, an der wichtigsten Tageszeitung Sloweniens, dem Laibacher Delo, beteiligen und gemeinsam mit Delo die in Split erscheinende und in Dalmatien viel gelesene Zeitung Slobodna Dalmacija kaufen.

Wenn das geschieht, wären sämtliche zentralen und auflagenstärksten Zeitungen Kroatiens fest in ausländischer Hand: denn der in Zagreb erscheinende Jutarnij list (Morgenblatt) gehört bereits zur WAZ-Gruppe. Das Spiel aber geht weiter: neben Delo soll das Grazer Haus "Styria" auch die populäre Laibacher Zeitung Dnevnik und in Marburg an der Drau (Maribor) den Vecer ganz oder wenigstens teilweise erwerben.

Einheimische Beobachter - und nicht nur solche aus der linken Szene - verfolgen diesen Medien-Ausverkauf mit gemischten Gefühlen. Schon bei der Machtübernahme des Zagreber Vecernij list durch die Grazer Styria hat sich gezeigt, daß die neuen landfremden Mehrheitseigentümer auf lokale Besonderheiten oder auf Interessen heimischer Journalisten kaum Rücksicht nehmen. Viele kroatische Journalisten, die sich vom Einstieg eines österreichischen, dazu noch traditionell katholischen Verlagshauses Erleichterung versprachen, wurden von den neuen ausländischen Herren, die sich überdies sehr schnell mit den kryptokommunistischen Machthabern arrangierten, bitter enttäuscht. Zurecht schrieb neulich die Washington Times, es gebe heute in Kroatien weniger Medien- und Meinungsfreiheit als zu Zeiten des verstorbenen Staatsgründers Franjo Tudjman.

Übrigens entspricht diese Entwicklung ganz den Erfahrungen in Ungarn: dort haben die vom einstmals konservativen Axel-Springer-Verlag erworbenen ungarischen Provinzblätter eifrig dazu beigetragen, die bürgerliche Regierung Orbán zu stürzen und die Sozialisten wieder ans Ruder zu bringen.


 
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