© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/02 09. August 2002

 
Kolumne
Meilen-Malus
Heinrich Lummer

Wenn einer Gutes tut, muß das nicht unbedingt gut ausgehen. Etwas sei so gut gemeint gewesen, stellt man oft fest, nachdem es schief gegangen war. So kann das auch mit Bonusmeilen gehen. Kein Zweifel, die Nutzung von sogenannten Bonusmeilen stellt einen geldwerten Vorteil dar. Ein schönes Privileg. Doch 1997 wurde eine Vereinbarung getroffen, die die Abgeordneten akzeptierten: Diese Meilen sollten dem Staat gehören. An selbst gestrickte Regeln muß man sich halten. Und wenn man Regeln entwickelt, dann muß man sie auch kontrollieren. Ich denke, da hätte es Wege und Möglichkeiten gegeben.

Wenn man bei einem Regelverstoß erwischt wird - ob durch Zufall oder böse Schnüffelei - muß man die Konsequenzen tragen. Da geht es nicht an, dem Schnüffler den Schwarzen Peter zuzuschieben. Auch bei früheren Enthüllungen tat man es nicht, sondern war schadenfroh. Nun aber, da es vorerst und zuförderst die Regierungsparteien erwischte, sucht man die Schuldigen woanders. Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. Es ist die Methode à la Franz Müntefering: Spieß umdrehen, Ablenkungsmanöver einleiten. Der vereinte Chor der SPD inklusive der ehemaligen Bild-Journalistin und Kanzlergattin stimmen ihr Klagelied an. Anke Fuchs stellte die Enthüllung als "Hetzjagd" dar. Man beließ es nicht bei Worten, sondern regte ein Strafverfahren an. Dieser Versuch gereicht den Genossen wahrlich nicht zur Ehre. Das alles sieht nicht nach ruhigen Händen aus, sondern erinnert an das Zittern, das denjenigen ergreift, der seine Felle davonschwimmen sieht.

Dabei sitzen doch alle Fraktionen im gleichen Glashaus und haben naturgemäß keinen Anlaß, mit Steinen zu werfen. Besonders peinlich hat sich - wieder einmal - der Bundestagspräsident verhalten. Erst fordert er entgegen dem Rat des Datenschutzbeauftragten per Ultimatum die Lufthansa auf, widerrechtlich Daten herauszurücken. Dann bagatellisiert er die Vorgänge und will sie mit dem Streß der Abgeordneten entschuldigen. Und auf die Frage, wie er persönlich mit den Meilen verfahre, antwortet Thierse, daß er gar nicht privat fliege. Richtig wäre die Antwort gewesen: Ich habe fliegen lassen. Man kann auch die Meilen, die im wesentlichen nicht verfallen, sammeln, um sie nach dem Ausscheiden aus dem Amt zu nutzen. Die Misere mit dem selbst eingehandelten Meilen-Malus sollte man durch ein überprüfbares Reglement beseitigen - oder man schenkt den Abgeordneten die Bonusmeilen zur freien Verfügung, damit sie kein schlechtes Gewissen haben müssen. Den Wählern würde das allerdings nicht gefallen.

 

Heinrich Lummer, Berliner Innensenator a. D., war bis 1998 Bundestagsabgeordneter der CDU.


 
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