© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/02 09. August 2002

 
"Ausdruck des gewöhnlichen Faschismus"
Graffiti-Schmierereien: Die CDU in einigen Bundesländern ist uneins im Kampf gegen Schmierereien / "Tatort"-Kommissar Peter Sodann engagiert sich in Halle
Georg Alois Oblinger

Im CDU/FDP-regierten Halle (Sachsen-Anhalt) wird jetzt stärker gegen Graffiti-Schmierereien vorgegangen. In Thüringen und Sachsen hingegen werden Graffiti-Sprühereien noch geduldet beziehungsweise ausdrücklich gefördert.

Am vergangenen Wochenende fand in Chemnitz Europas größtes Hip-Hop-Festival statt, zu dem sich 25.000 Fans und mehr als 100 Künstler einfanden. Bei mehreren Personen mußte Rauschgift konfisziert werden. Graffiti-Sprayer betätigten sich an mehreren Toiletten sowie einem nahegelegenen Gebäude. Behördliche Reaktionen gab es keine. Auch in Erfurt wurde Graffiti-Kunst von allen im thüringischen Landtag vertretenen Fraktionen gefördert (JF 19/02).

In Halle hat man nun das Problem erkannt: Mit 12,2 Prozent aller erfaßten Straftaten liegt Sachbeschädigung noch vor dem Ladendiebstahl (10,5 Prozent). Eine Form der Sachbeschädigung stellt die "Graffiti-Kriminalität" dar, einschließlich des "Scratchens" und des "Glas-taggings". Die Verursacher sind größtenteils Jugendliche (70 Prozent), gefolgt von Heranwachsenden (17 Prozent), Kindern (10 Prozent) und Erwachsenen (3 Prozent).

Eine härtere Vorgehensweise gegen solch zerstörerisches Tun hat der Magdeburger Innenminister Klaus Jeziorsky (CDU) gefordert, darunter eine Geldstrafe von bis zu 5.000 Euro (siehe JF 29/02). Diese Forderung wurde von Wohnungsunternehmen und auch von der Polizei zustimmend aufgenommen. Bereits Ende letzten Jahres hat die Initiative "Halle gegen Graffiti" 2.000 Unterschriften nach Berlin gesandt, die allerdings zur Zeit noch in Ausschüssen liegen. Am 13.Juni haben Prominente der Stadt einen Verein gegründet, der sich die Beseitigung von Graffiti und die diesbezügliche Aufklärung zum Ziel gesetzt hat. Vorsitzender dieses Vereins ist der ehemalige CDU-Ministerpräsident Christoph Bergner, sein Stellvertreter Peter Sodann, Intendant des Neuen Theaters, der durch seine Rolle als "Tatort"-Kommissar bekannt ist. Am vergangenen Sonntag fand durch den Verein die öffentliche Reinigung zweier Großplastiken statt. Die Säuberungsaktion kostete mehrere tausend Euro. Weitere Aktionen sollen folgen. Zwar wurden im letzten Jahr 77 Prozent aller Graffiti-Sprayer in Halle ermittelt, doch kaum jemand kam vor Gericht oder wurde verurteilt. Besprühen gilt nicht als Sachbeschädigung.

Schauspieler Peter Sodann hingegen bezeichnet Graffiti-Schmierereien als Ausdruck des "gewöhnlichen Faschismus". Seiner Meinung handelt es sich hierbei nicht um eine Form der Jugendkultur, sondern um Zerstörung von Kultur. Nun gilt es Strafanträge zu stellen, aber auch verunstaltete Flächen baldmöglichst zu reinigen, um den Tätern kein Erfolgserlebnis zu geben. Sodann ruft alle auf, hierbei im Rahmen ihrer Möglichkeiten mitzuwirken.


 
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