© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/02 09. August 2002


Kirche und Moral
von Georg Alois Oblinger

Wenn das Reden und Handeln einer Person einander widersprechen, spricht man von Heuchelei. Ein solcher Mensch wirkt unglaubwürdig. In letzter Zeit sind zunehmend Vertreter der katholischen Kirche in den Ruf geraten, heuchlerisch höchste Moralauffassungen zu vertreten und in der Verkündigung zu propagieren, hinter dieser frommen Fassade jedoch ein unmoralisches Doppelleben zu führen. Es häufen sich aufgedeckte Fälle von sexuellem Mißbrauch von Kindern oder Jugendlichen durch katholische Priester.

Interessanterweise traten diese Fälle vermehrt in den Vereinigten Staaten auf - und zwar vor allem an jenen Priesterseminaren und Universitäten, die als besonders fortschrittlich galten, an denen die sogenannte Autonome Moral gelehrt wurde. Doch nun sind auch einige Fälle in Deutschland bekannt geworden. Die Stimmen in der Presse und in der Öffentlichkeit überschlagen sich: Skandal! Heuchler! Doppelmoral! Typisch Kirche!

Es ist immer leicht, die Fehler bei anderen zu entdecken und sich zu entrüsten. Gewiß, diese Vorkommnisse sind skandalös, doch offenbaren sie nur den Werteverfall, der unsere ganze Gesellschaft heimgesucht hat, und der leider auch vor den Toren der Kirche nicht haltmacht.Nun lautet das Gebot der Stunde: Umkehr und Reform. Die wahre Reform besteht allerdings nicht in äußerer Kosmetik oder Anpassung an den Zeitgeist, sondern in der Besinnung auf den Kern der christlichen Botschaft.


 
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