© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/02 26. Juli / 02. August 2002

 
Gewinne privatisiert - Verluste sozialisiert
Berlin: Die Bankgesellschaft Berlin sicherte den oftmals prominenten Investoren Gewinne zu, die nun die Allgemeinheit tragen muß / Der Widerstand formiert sich
Ronald Gläser

Mit Pfiffen und Buhrufen protestierte letzte Woche die Initiative Berliner Bankenskandal vor dem Internationalen Congress Centrum in Berlin. Im Gebäude, wo die Aktionäre zur Hauptversammlung zusammentrafen, brodelten ebenfalls die Emotionen. Es ist, als würde erst jetzt vielen Hauptstädtern klar, wie sehr die Bankenkrise sie persönlich betrifft.

In den Neunziger Jahren herrschte Aufbruchstimmung in der Baubranche. Erwerber von Immobilien profitierten von großzügigen Abschreibungen. Wer eine marode Altbauwohnung in den neuen Bundesländern modernisierte, konnte dies steuerlich geltend machen. Ein Rechenexempel: Eine verfallene Wohnung in Ost-Berlin mit hundert Quadratmetern kostete nur 100.000 Mark. Die Modernisierung kostete in der Summe ebensoviel. Achtzig Prozent dieser Kosten wurden steuerlich geltend gemacht. Ein gutverdienender Investor zahlte am Ende etwa 160.000, was vergleichsweise billig war. Die Nachfrage war entsprechend hoch. Oskar Lafontaine hat damals immer kritisiert, daß solche Steuersparmodelle nur hohen Einkommensschichten zugute kommen.

Die Bankgesellschaft engagierte sich stark in der Boombranche. Angesichts der florierenden Absatzzahlen verlor man den Bezug zur Realität. So wurden reizlose Plattenbauten in unattraktiven Wohnlagen als Schatzkammern angesehen. In der Leipziger Straße zum Beispiel wurden Quadratmeterpreise von 4.500 Mark für Wohnungen prognostiziert. Das entsprach schon fast dem dreifachen des oben genannten Beispiels. Die Verantwortlichen in Planung und Vertrieb der Bankgesellschaft setzten ihren Träumen keine Grenzen. Die Bezahlung der Makler erfolgte nicht - wie branchenüblich - erfolgsabhängig, sondern mit üppigen Festgehältern. Prämienzahlungen waren eher die Regel als die Ausnahme. Um möglichen Käufern die letzten Zweifel zu nehmen, wurden günstige Darlehen angeboten und die Vermietung der Wohnungen für Jahre garantiert. Bis zu dreißig Jahre garantierten die Bankgesellschaft und ihre Tochterunternehmen, daß regelmäßige Mieteinnahmen erfolgen würden. Vermittlern, darunter auch weniger seriöse Anlageberater, wurden überdurchschnittliche Provisionen bezahlt. Ferner vertrieb die Immobilien Beteiligungs- und Vertriebsgesellschaft der Bankgesellschaft Berlin (IBV) Immobilienfonds. Die Garantien ähnelten denen der individuellen Transaktion von Wohnraum. Die Abschreibungen waren oft noch höher.

Der Zusammenbruch dieser gewaltigen Spekulation, die vor allem zu Lasten der Steuerzahler ging, brachte pikante Details zutage. Von dem ehemaligen CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky über Barbara Genscher (Ehefrau von Hans-Dietrich Genscher, FDP) bis hin zu Grünen- und SPD-Politikern: Lang ist die Liste der Spitzenpolitiker, die diese Vorteile ausgekostet haben. Bankmanager, aber auch Gewerkschafter finden sich unter den Zeichnern der zahllosen Hyp-Fonds. Wenngleich die SPD diese Bankenkrise zum Putsch gegen den vermeintlichen CDU-Bürgermeister nutzte, ist sie selbst tief verstrickt in das ganze Geflecht. Der rot-rote Berliner Senat sah sich gezwungen, einen vermutlich verfassungswidrigen Haushalt vorzulegen. Trotzdem übernahm Berlin die Verantwortung für die Risiken, um die Bank zu retten.

Die Kritiker dieses Parlamentsbeschlusses haben sich mittlerweile organisiert. Die Initiative Berliner Bankenskandal entstammt der Szene von linken Globalisierungsgegnern, die sich unter der Bezeichnung Attac sammeln. Für sie handelt es sich um ein "System der privaten Bereicherung", das "größtenteils sittenwidrig und kriminell" sei. Tatsache ist, daß die Berliner und gegebenenfalls der Bund für circa 21 Milliarden Euro Verluste aufkommen müssen. Andere Schätzungen gehen sogar von einer Maximalbelastung in doppelter Höhe aus. Die Risikoübernahme sei ein "Blankoscheck" und eine politische "Bankrotterklärung", verlautete die Initiative. Der Landeshaushalt werden auf Jahre hinweg belastet, seine Haushaltshoheit habe er freiwillig enorm eingeschränkt. Während Sporteinrichtungen und Kindergärten geschlossen werden, bezahlten die Steuerzahler die Steuergeschenke für Millionäre. Die Initiative plant primär zwei spektakuläre Maßnahmen, um den Schaden abzumildern. Die freundliche Variante besteht darin, an Anleger gezielt heranzutreten, um sie zur Rückzahlung einiger ihrer Profite zu bewegen.

Weniger moderat sind geplante Proteste, die sich schwerpunktmäßig im Umfeld der Profiteure der Geschäfte ereignen sollen. Geplant sind "Grunewald- und Dahlemspaziergänge". In diesen erstklassigen Berliner Wohngegenden residieren viele der Fondszeichner. Zu den Initiatoren gehören namhafte Universitätsprofessoren wie der Politikwissenschaftler Peter Grottian und andere Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Kultur. Zweifellos handelt es sich um klassenkämpferisch inspirierte Akteure, aber ihr Handeln könnte weite Bevölkerungsteile stimulieren. Geschädigt sind tatsächlich alle, auch wenn sich diese Erkenntnis erst langsam durchsetzt. 


 
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