© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/02 19. Juli 2002


Gegen die Anmaßung der einzigen Weltmacht
In seinem neuen Roman entwickelt Olenin Terek das politische Modell eines eurasischen Machtblocks
Günther Deschner

Nicht nur Literaturkritiker leben gefährlich: Auch der deutsche Außenminister Joseph Fischer gerät li­terarisch ins Fadenkreuz - als Figur eines neuen Polit-Thrillers von Olenin Terek. Es ist der zweite Roman des Autors, der um ein noch vages Eurasien-Konzept kreist, das dem globalen Allmachtanspruch Amerikas Paroli bieten soll.

Auf die Idee mit dem Attentat auf Fischer brachte ihn ein Artikel des russischen Politi­kers und ehemaligen Gesandten in der DDR, Igor Maximytschew, in der Nesawissi­maja Gaseta. In dem Artikel wird Joseph Fischer als Lakai der USA und als "Totengräber der deutsch-russischen Be­ziehungen" attackiert. Soweit die Fakten.

Der Roman setzt damit ein, daß der Student Igor Rassow, ein glühender Verfechter einer engen Verbindung zwischen Moskau und Berlin, diesen Artikel liest. Er sieht in Fischer das Symbol für all die politischen Marionet­ten, die den Machtanspruch der USA über den eurasischen Kontinent fördern und plant deshalb ein Attentat auf den deutschen Minister. Rassow ist tonangebender Feuerkopf einer eurasischen Untergrundbewegung, der "Or­ganisation Tauroggen" (OT). Im Zentralkomitee der Organisation argumentiert er, Fischer sei Feind eines mächtigen, poli­tisch geeinten Eurasien und müsse daher beseitigt werden. Rassow trägt den Geruch des Todes mit sich. Er hat die Spezialausbildung der russischen Omon-Truppen absolviert, in Tschetschenien gekämpft und schon einige Sprengstoffat­tentate auf Russen verübt, die sich von "Westside" kaufen ließen, einem getarnten Netzwerk US-amerikanischer Einflußnahme. Rassows engster Jugendfreund ist Politiker geworden und hat im Kreml Karriere ge­macht, es bis zum Präsidenten der Russi­schen Republik gebracht. Er und Rassow werden schließlich zu Gegenspielern, denn der Präsident muß das Attentat unter allen Umständen verhindern. Das gelingt schließ­lich, nach 350 Seiten Hochspannung, im letzten Moment. Und ohne, daß die OT Schaden nähme. Sankt Petersburg, Moskau, Berlin und Bonn sind die Stationen, zwischen denen sich die Handlungsstränge entwickeln. Ob eine Bib­liothek in Petersburg, ein Versich-erungsge­bäude in Bonn oder die Spezialmunition einer Heckler & Koch - der Autor hat seine Milieus und Stoffe bis ins Detail recherchiert.

Wie schon bei seinem Romanerstling "Von Wladiwostok bis zur Estremadura" (2000) ist es neben dem literarischen Ehrgeiz auch der politische Impetus, der Olenin Terek antreibt. "Olenin" ist der Held in Tolstois "Kosaken". Und "Terek" heißt der Fluß aus dem Kauka­sus, an dem sich Rußlands asiatische Inte­ressen seit der Zarenzeit festmachen.

Für den Autor ist der Kontinentalblock das einzig denkbare politische Konzept von historischer Tragweite, eine Antwort auf die aktuelle ame­rikanische Anmaßung, die "einzige Welt­macht" zu sein und zu bleiben. Daß er sich diesem Thema widmet, hat eine längere Vorgeschichte. Mehr als zwei Jahr­zehnte war der politische Journalist Hans Wagner bei Bayernkurier, Dialog, Die Welt und Quick, bis er sich - angewidert von manchen Usancen der politisch korrekten "freien" Presse - aus dem Medienbetrieb zu­rückzog. Den Gedanken eines "Kontinental­blocks" griff er schon in den siebziger Jahren ein erstes Mal auf, als er unter dem Titel "Zur Feindschaft verdammt?" unkonventionelle Gedanken über ein Bündnis zwischen Rus­sen und Deutschen publizierte, ein Bündnis, das die "einzige Weltmacht" seit jeher fürch­tet wie der Teufel das Weihwasser. Von Olenin Terek darf man noch einiges erwarten: Das politische Thema treibt ihn weiter um. Seinen nächsten Roman hat er bereits avisiert.

Olenin Terek: Der Mann aus Grosny. Eurasischer Verlag, Altomünster 2002, 353 Seiten, geb., 20,90 Euro


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