© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/02 19. Juli 2002

 
Gelebte Normalität
Medien: Die "Kulturpolitische Korrespondenz" unterscheidet sich wohltuend von anderen Vertriebenenzeitungen
Doris Neujahr

An den von Bundeskanzler Schröder erfundenen Kulturstaatsminister Michael Naumann und dessen Büchsenspanner Knut Nevermann (alle SPD) erinnert sich heute niemand mehr. Nur der von ihnen hinterlassene Flurschaden, der bleibt. Mangels Möglichkeiten, Ideen und Konzepten für eine rot-grüne Kulturpolitik, kühlten sie ihr Mütchen an den Kulturinstitutionen der deutschen Vertriebenen, darunter am Ostdeutschen Kulturrat und seiner ZeitschriftKulturpolitische Korrespondenz (KK), die seit Mitte 2000 keine staatlichen Zuwendungen mehr erhalten.

Die KK hat den Anschlag wider Erwarten überlebt und wird mit verkleinertem Personalbestand fortgeführt. Sie berichtet weiter über kulturelle Ereignisse, über Jahrestage, Veranstaltungen und Entwicklungen, die mit den deutschen Vertreibungsgebieten im Zusammenhang stehen. Statt alle zehn erscheint sie jetzt nur noch alle 20 Tage, und ihr Format wurde verkleinert. Es ist handlicher geworden, außerdem ist der veränderte Satzspiegel besser lesbar. Auch im Inhaltlichen führt sie beispielhaft vor, wie äußere Pressionen zu einem Kreativitätsschub führen können. Kreativität bedeutet: Die Konzentration auf das Wesentliche, auf sprachliche Sorgfalt und präzise Gewichtung.

Der Leser findet Rezensionen über Bücher, Filme, Ausstellungen, weiterhin Tagungsberichte, kleine Reportagen aus Mittelosteuropa und Würdigungen ostdeutscher Persönlichkeiten zu runden Geburts- oder Todestagen. Es kann auch - wie zum 90. Geburtstag Gertrud Fusseneggers - einfach ein Gedicht der Jubilarin sein.

Worin unterscheidet die Kulturpolitische Korrespondenz sich von anderen Presseorganen? Neben der thematischen Spezialisierung vor allem in der Normalität, mit dem sie das Sujet behandelt. Breslau heißt hier Breslau, und Schlesien ist bis 1945 ein so natürlicher Teil Deutschlands wie Bayern oder Sachsen. Das Selbstverständliche wird nicht erst umständlich erklärt und begründet, sondern ist der Ausgangspunkt der Beiträge, ohne daß diejenigen, die von ostdeutscher Geschichte nichts oder wenig wissen, deshalb herabgesetzt und abgestoßen werden. Sie werden neugierig gemacht.

Die Kulturpolitische Korrespondenz unterscheidet sich aber auch von den anderen Vertriebenenzeitungen. Während jene ganz überwiegend Sprachrohre ihrer Landsmannschaften und Ausführungsorgane deren politischer Vorgaben sind, zu denen sie sich keine journalistische Distanz erlauben können, gestattet die KK sich eine bestimmte Art der Politikfreiheit. Das heißt, sie springt nicht über jedes provokative Stöckchen, das von Unbelehrbaren im In- und Ausland hingehalten wird und gibt spiegelbildlichen Beißreflexen gleichfalls keinen Raum. Insbesondere der langjährige Mitarbeiter und jetzige Chefredakteur Georg Aescht schlägt ironische, manchmal selbstironische Töne an, die man andernorts nicht findet. Die KK ist der Versuch, im publizistischen Umgang mit den Vertreibungsgebieten Normalität vorzuleben. Es lohnt sich, dieses Experiment weiterzuführen.

Ein Vorschlag zur Güte: Wie wäre es, die Herren Naumann und Nevermann verzichteten auf einen Teil ihrer Pensionsansprüche, die sie mit ihrem Berserkertum im Kanzleramt zwar nicht verdient, aber nach geltender Rechtslage nun mal erworben haben, spendeten ihn der KK und machten auf diese Weise ein wenig von dem Schaden wieder gut, den sie angerichtet haben?

Ein Vorschlag, zu schön, um wahr zu sein. Zwar sind Linke stets die besseren Menschen, aber Verzicht am Geldbeutel bedeutet auch für sie den Verrat am Allerbesten, das sie sich überhaupt vorstellen können.

Kulturpolitische Korrespondenz, Kaiserstr. 113, 53113 Bonn, Tel: 02 28 / 21 37 6, Fax: 02 28 / 21 55 18. Das Jahresabo kostet 25 Euro.


 
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