© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/02 19. Juli 2002

 
UMWELT
Die Schweiz ist Spitze
Volker Kempf

Schlaue Bahnhofsbuchhändler werben mit dem Slogan: "Der Kluge liest im Zuge". Demnach müßte die Lesekompetenz in den Ländern am höchsten sein, in denen viel Bahn gefahren wird. Und da sticht die Schweiz mit 1.798 Personenkilometer pro Jahr hervor, gefolgt von Frankreich mit 1.177. In der Pisa-Studie, Rubrik Lesekompetenz, liegt die Schweiz aber nur im oberen Mittelfeld, etwas besser steht Frankreich da. Spitzenreiter beim Lesen ist unter den EU-Staaten vielmehr Großbritannien. Doch dort wird pro Person und Jahr nur 691 Kilometer Bahn gefahren, was dem unteren Mittelfeld entspricht. Einen deutlichen Zusammenhang zwischen Bahnfahren und Lesekompetenz kann man also nicht ausmachen. Aber immerhin ist Griechenland sowohl beim Bahnfahren als auch bei der Lesekompetenz ziemlich am Ende; das gilt auch für Portugal. Was auch immer man sich daraus für einen Reim machen mag: Fest steht, daß man im Zug gut lesen kann - besser jedenfalls als im Auto.

Warum aber fahren die Schweizer und Franzosen so viel, Portugiesen und Griechen so wenig Zug, während Deutschland wieder das Mittelmaß aller Dinge markiert? In der Schweiz ist die Netzdichte sehr hoch, da kommt man überall hin und wieder zurück. Bei uns kommt man zwar auch fast überall hin, aber nicht unbedingt wieder zurück. Denn manche Abendfahrt lohnt sich finanziell nicht, also wird gekürzt, so daß sich auch die Hinfahrt für niemanden mehr lohnt. In der Statistik der DB für das letzte Jahr drückt sich das dann in einem Fahrgastrückgang von etwa fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr aus. Am Ende bleiben für Deutschland 905 Personenkilometer pro Jahr übrig - also halb so viel wie im Falle der Schweiz. Weiter so, Deutschland?


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen