© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/02 19. Juli 2002

 
Starkes Finale im Straßburger Parlament
EU-Umweltpolitik: Der Europaparlamentarier Hans Kronberger über die Probleme der Gentechnik und des Alpentransits
Hans Kronberger

Das Europäische Parlament in Straßburg ist ein weitestgehend unbekanntes Wesen. Für die Bürger Europas steht bestenfalls fest, daß das EU-Parlament mit relativ anonymen Wesen besetzt ist, die allerdings im Gegensatz zu den EU-Kommissaren demokratisch gewählt worden sind. Auch in der öffentlichen Meinung gilt das Parlament bestenfalls als ein Kontrollorgan ohne besondere Bedeutung.

Zu dieser Meinung hat die veröffentlichte Medienwelt einen nicht unbedeutenden Beitrag geleistet. Tatsächlich hat das Europäische Parlament in vielen Belangen eine defizitäre Position in der europäischen Legislative, denn das Initiativrecht für Gesetze geht von der EU-Kommission aus. Andererseits, und auch das ist einer breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt, hat das Europäische Parlament in vielen Bereichen ein "Mitentscheidungsrecht", wie es im Vertrag von Amsterdam festgeschrieben ist. Dieses Recht bezieht sich vor allem auf Fragen, die die Umwelt betreffen und besagt, daß der Europäische Rat (eine Versammlung der 15 zuständigen Ratsmitglieder), nur im Konsens mit dem EU-Parlament gewisse Entscheidungen treffen kann. Das heißt, ohne Zustimmung des EU-Parlaments können Gesetzesinitiativen nicht beschlossen werden.

Im Gegensatz zu den nationalen Parlamenten gibt es im Europäischen Parlament keinen definierten Fraktionszwang, das bedeutet, daß immer wieder Abgeordnete oder ganze Gruppen davon, oft auch aus nationalstaatlichen Interessen, von der Linie ihrer Parteien ausscheren. Dies kann manche Auseinandersetzungen ziemlich spannend machen.

Drei klassische Themen stehen derzeit im EU-Parlament an, bei denen es einen Kampf fast bis auf das Messer gibt. Dies sind Biodiesel, die Kennzeichnung von genmanipulierten Lebensmitteln und die ewige Frage des Alpentransits. Beim Biodiesel hat die Kommission einen ehrgeizigen Vorschlag vorgelegt, demnach bis zum Jahre 2010 mindestens 5,75 Prozent des Kraftstoffverbrauches in der Union aus heimischem Biosprit bestehen soll. Die Streifrage lautet, soll dieses Ziel nur Orientierungscharakter haben, so wie es sich der Rat wünscht, oder soll es verpflichtend für alle Mitgliedstaaten festgelegt werden.

Darüber gab es bereits im Vorfeld Verhandlungen, aber nachdem die derzeitigen Ratsherren, die Dänen, keine ernste Verhandlungsbereitschaft bekundet hatten, schoß das Parlament scharf und beschloß einfach "verbindliche" Ziele vorerst bis zum Jahr 2005 in seiner ersten Lesung Anfang Juli in Straßburg. Nicht zuletzt aufgrund der enormen Energieabhängigkeit der EU von den erdölproduzierenden Ländern, was von vielen Mitgliedstaaten einfach ignoriert oder verdrängt wird, ist eine spannende Auseinandersetzung in dieser Frage zu erwarten.

Auch in Sachen Gentechnik hat das Europäische Parlament einen Kraftakt gesetzt. Die Kennzeichnung gentechnisch manipulierter Lebensmittel wird innerhalb des EU-Parlaments jeweils mit knappen Mehrheiten ausgetragen. Die Konservativen sind eher "genhörig", rot-grün für striktere Kennzeichnung, die Liberalen einmal so und einmal so. Mit knapper Mehrheit konnten sich in erster Lesung ebenfalls im Juli dieses Jahres die Genkritiker durchsetzen. Bei der ersten Lesung reichte die relative Mehrheit. Bei der zweiten Lesung, bei der eine qualifizierte Mehrheit, also mindestens 314 der 626 möglichen Stimmen, notwendig ist, könnte sich das Blatt wieder wenden.

Die Geschlossenheit der Konservativen, die sich ja auch als Bauernvertreter definieren, ist logisch nicht unbedingt nachvollziehbar, immerhin sind kleinbäuerliche Strukturen und die biologische Landwirtschaft durch genmanipulierte Lebensmittel noch stärker als bisher bedroht.

Ein weiterer Dauerbrenner in der EU ist der Straßenverkehr. Einerseits stehen den Speditions-Lobbyisten die Alpen im Weg, andererseits ist die EU-Kommission mit einem gesamteuropäischen Verkehrskonzept schwer im Verzug. Verschärft wird die Situation durch die geplante Erweiterung, die zu einer Vervielfachung des Verkehrsaufkommens führen wird. Zuerst muß das Parlament über eine Nachfolgeregelung zum österreichischen Transitvertrag entscheiden, der nächstes Jahr ausläuft.

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, der aus dem Aostatal stammende Italiener Luciano Caveri (Union Valdôtaine) von der liberalen Fraktion im EU Parlament, hat die Sache an sich gerissen und kann seit mehr als einem halben Jahr keinen konsensfähigen Bericht vorlegen. Die Verkehrsminister der vorwiegend betroffenen Länder, Deutschland, Italien und Österreich, haben völlig unterschiedliche Positionen. Die Deutschen und Italiener wollen die Alpen überrollen, die Österreicher sich der Lawine entgegenstellen. Schlußendlich wird nichts ohne Zustimmung des EU-Parlaments gehen. Eine gesamteuropäische Entlastung der Verkehrswege soll die von der spanischen Kommissarin Loyola de Palacio vorgelegte Wegekostenrichtlinie bringen. Da es dabei um viel Geld geht, ist ähnlich wie bei der Erweiterung der EU und bei der Agrarreform ein zähes Ringen zu erwarten. Die Parlamentssaison 2002/2003 verspricht spannend zu werden, und 2004 werden die EU-Bürger wieder zu den Urnen gerufen.

 

Dr. Hans Kronberger, 51, Journalist, sitzt seit 1996 für die FPÖ im EU-Parlament. Er ist Mitglied im Ausschuß für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz und im Ausschuß für soziale Angelegenheiten sowie Mitglied der Delegation für die Zusammenarbeit EU-Rußland. 1998 erschien sein Buch "Blut für Öl - Der Kampf um die Ressourcen". Internet: www.kronberger.net .


 
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