© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/02 19. Juli 2002

 
Rote Skandale an der Saar
Saarland: Die ehemals dominierende SPD fällt über hausgemachte Probleme ins Bodenlose
Christian Roth

Vor knapp drei Jahren war es eine Riesen-Sensation. Als CDU-Herausforderer Peter Müller im September 1999 die Landtagswahl gegen den Amtsinhaber Reinhard Klimmt gewann, stand die politische Landschaft im Saarland Kopf. Kaum einer der Genossen, die von 1985 an der Seite von "Landesvater" Oskar Lafontaine von Sieg zu Sieg geeilt waren, hatte damit gerechnet, und Landesgeneralsekretär Rainer Tabillion bezeichnete den Unions-Sieg als "historischen Zufall".

Heute sitzt der SPD-Parlamentarier mit versteinerter Miene auf der Oppositionsbank, wenn sein jungenhafter Fraktionsvorsitzender Heiko Maas einmal wieder im Wortwechsel mit Müller den Kürzeren zieht. Als wäre die Situation nicht schon verfahren genug, streute nun eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "dimap" neues Salz in die Wunden der Saar-Genossen. Zwei Jahre vor dem nächsten Urnengang kratzt die CDU an der 50-Prozent-Marke und die SPD, zuvor dreimal mit satten Mehrheiten ausgestattet, hat derzeit Mühe, über 40 Prozent zu kommen. Selbst die prognostizierte Landtags-Rückkehr der saarländischen Liberalen unter Führung des 30jährigen "Yuppies" Christoph Hartmann und dem damit verbundenen Ende des bundesweit einzigen "Zwei-Parteien-Parlaments" würde Müller nach dem jetzigen Stand der Dinge nicht am Alleinregieren hindern. Mit einer derart üppigen Hausmacht ausgestattet, profiliert sich der Ministerpräsident auf bundespolitischem Parkett als Querdenker. In der Zuwanderungsdebatte auf Seiten von Edmund Stoiber und Koch und beim Thema "Schwulen-Ehe" als Wortführer der Unions-Linken: Müller wagt den Spagat und hat damit Erfolg.

In CDU-Kreisen ist schon längst nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand davon die Rede, daß Müller zur übernächsten Bundestagswahl eine wichtige Rolle spielen könnte. Sollte das Duo Merkel/Stoiber scheitern, so das Kalkül der Müller-Anhänger, liefe alles auf ein Nachfolger-Duell zwischen dem Saarländer und Hessens Regierungschef Roland Koch hinaus. Vor allem, wenn Müller die Landtagswahl 2004 triumphal gewinnen sollte. Und danach sieht es derzeit aus. Denn bei der SPD verabschiedet sich in diesen Tagen ein Hoffnungsträger nach dem anderen. Der vor einem Jahr in einer Direktwahl bestätigte Saarbrücker Oberbürgermeister Hajo Hoffmann, der nach dem Willen von Landeschef Maas "eine herausragende Rolle" im Wahlkampf spielen sollte, ist wegen Untreue in erster Instanz verurteilt worden (JF 22/02).

Auch die ehemalige Bürgermeisterin der Landeshauptstadt, Margit Conrad, in Rheinland-Pfalz mittlerweile als Umweltministerin zu Ehren gekommen, könnte alsbald aus dem Kreise der "Erneuerer" ausscheiden. Die Saarbrücker Staatsanwaltschaft interessiert sich für ihre Rolle als ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der städtischen Müllentsorgungsgesellschaft, bei der es nach Auffassung der CDU zu erheblichen Unregelmäßigkeiten gekommen sein soll. Mittlerweile beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuß des Landtages mit dieser Affäre und der CDU-Obmann Stephan Toscani ließ genüßlich verlauten, daß seine Partei den "Stall gründlich durchkehren" und "selbstverständlich nach der Rolle von Frau Conrad" fragen werde. Daß SPD-Mann Maas angesichts dieses Durcheinanders analysiert, das Rennen an der Saar "sei völlig offen", hat das Amüsement im Lager der Union nur noch verstärkt.


 
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