© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/02 19. Juli 2002


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Selbstzweck
Karl Heinzen

Die Euphorie der deutschen Rüstungsindustrie, mit einem Renommierprojekt auch in der Heerestechnologie wieder einmal Maßstäbe setzen zu dürfen, war nur von kurzer Dauer. Das Verteidigungsministerium möchte dem Schützenpanzer "Panther", den Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann gemeinsam realisieren könnten, nun doch nicht wie geplant näher treten. Die Umorientierung kam unvorhergesehen, ist aber plausibel. Da es schon heute Krisen gibt, will man über ein notwendiges Mittel zu ihrer Bewältigung nicht erst im Jahr 2008 verfügen. Bedauerlich ist allein, daß der Weltmarkt eine adäquate Alternative nicht hergibt. Der "Marder", in dem sich schon die Väter der heutigen Grenadiergeneration auf den Übungsplätzen bewegten, bleibt somit de facto bis auf weiteres ohne Konkurrenz.

Der Rückzieher Scharpings hat nicht bloß eine sachliche Dimension. Er schärft vielmehr, rechtzeitig vor der Bundestagswahl, das verteidigungspolitische Profil der Bundesregierung. Zum einen geht es natürlich, wie immer in solchen Monaten, um grundsätzlichere Grundsätze. Seit dem Tod Hitlers hat es keine deutsche Regierung in West oder Ost gegeben, die den Krieg als Mittel der Politik mit solch genießerischer Gelassenheit ins Kalkül einbezogen hätte wie die von Gerhard Schröder und Joschka Fischer geführte. Sicherlich hat man den Schwur von 1945 nicht gänzlich vergessen: Der Krieg ist nicht von deutschem Boden ausgegangen. Er ist allerdings von deutschem Boden aus mit geführt worden. Diesen Eindruck gilt es nun, so wahr er auch sein mag, für den Moment ein wenig zu relativieren. Da man sich aus der deklarierten internationalen Verantwortung der Bundesrepublik nicht mir nichts dir nichts zurückziehen darf, muß man wenigstens ihre Streitkräfte glaubwürdig der Chance berauben, ihr gerecht werden zu können. Der Verzicht auf den "Panther" erleichtert es der Bundeswehr, bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gehen zu können, ohne substantiell zum Krisenmanagement in der Welt beitragen zu müssen.

Darüber hinaus wird durch diese Entscheidung auch ein industriepolitisches Signal gesetzt. Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann hätten das Projekt womöglich dazu nutzen können, sich auch unternehmensrechtlich zu verbinden. Die dahinter stehende Absicht, sich im Konsolidierungsprozeß der europäischen Rüstungsindustrie zu behaupten und gar eine führende Rolle zu spielen, war leicht zu durchschauen. Sie ist allzumenschlich, aber eben auch anachronistisch. Wenn der sicherheitspolitische Ansatz ein globaler ist, dürfen die todbringenden Mittel, die ihn mit Leben erfüllen, nicht plötzlich dem kleinkarierten Kalkül der Standort- oder Arbeitsplatzerhaltung anheimgestellt sein. In einer Welt, in der nicht mehr viele nationale Sonderinteressen, sondern nur noch gut und böse miteinander ringen, kann das Überleben einer "systemfähigen" europäischen oder gar deutschen Rüstungsindustrie kein Selbstzweck sein.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen