© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/02 19. Juli 2002

 
PRO&CONTRA
Agrarsubventionen abbauen?
Graham Watson / Felix Prinz zu Löwenstein

Die Ablehnung der in der "Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik" (CAP) formulierten Reformvorschläge des EU-Landwirtschaftskomissars Franz Fischler zum Abbau der Agrarsubventionen in Europa durch die europäischen Regierungen am Montag stellt einen schweren Rückschlag für die Europäische Union dar. Es ist enttäuschend feststellen zu müssen, daß die europäischen Regierungen nicht die Weitsicht haben, die Bedeutung dieser Reformen zu erkennen. Die Vereinigung Europas darf nicht durch Regierungen, die sich eigenen nationalen Interessen beugen und diese Reform als Vorbedingung der Osterweiterung mißbrauchen wollen, gefährdet werden.

Wir dürfen nicht zulassen, daß die Reform dem Streit um vergleichsweise geringe Geldmengen geopfert wird, denn dafür steht zu viel auf dem Spiel. Daher ist zu hoffen, daß diese Ablehnung lediglich einem akuten Anfall sommerlichen Hitzschlags geschuldet ist und eine ruhigere Betrachtung durch die verantwortlichen Regierungen im Herbst zu der Einsicht führen wird, daß die Vorschläge zur Kürzung der Subventionen der einzige Weg zu freierem Welthandel und globaler Entwicklung sind. Die Trennung von Subvention und Produktion ist notwendig, um den Sektor der Landwirtschaft wieder dem Markt anzunähern und uns im übrigen auch eine stärkere Position bei den WTO-Verhandlungen zu geben. Grundsätzlich aber ist es inakzeptabel, das bisherige Subventionssystem, das jenen Bauern, die Spitzenerträge erwirtschaften, mehr als fünfmal so viel Unterstützung pro Hektar zukommen läßt, wie jenen mit nur minimalen Erträgen, weiter aufrechtzuerhalten. Auf der anderen Seite allerdings darf die EU ihre Politik zur ländlichen Entwicklung nicht begrenzen. Neben die Landwirtschaft muß verstärkt die Landschaftspflege treten, so kann der ländliche Raum unterstützt werden, ohne die landwirtschaftliche Produktion zu erhöhen.

 

Graham Watson ist Fraktionschef der "Europäische Liberale, Demokratische und Reformpartei" (ELDR), dem Zusammenschluß der liberalen Parteien Europas im Europäischen Parlament.

 

 

Landwirtschaft ist ein Wirtschaftszweig, dessen Produktivität stark von den Bedingungen des Standortes abhängt. In Ländern mit großen Flächen, niedrigen Löhnen, geringen Umweltauflagen und günstigen Bodenpreisen läßt sich billiger produzieren, als in Westeuropa. Nun gibt es Politikziele, die mit Nahrungsmittelerzeugung nichts zu tun haben. So will man zum Beispiel die Bewirtschaftung der Kulturlandschaft erhalten, die Besiedelung entlegener Räume sichern, damit ihre Erholungsfunktion gewährleistet bleibt. All dies kann nicht über den Preis der Produkte erreicht werden - jedenfalls nicht, wenn dieser durch den Weltmarkt gebildet wird. Vielmehr muß das Gemeinwesen dafür sorgen, daß diese Funktionen erhalten bleiben. Deshalb gibt es weltweit praktisch keinen industrialisierten Staat, der darauf verzichtet, die Landwirtschaft durch direkte oder indirekte Zahlungen zu stützen.

Erbringen Landwirte nun zusätzliche Umweltleistungen, die den nach "guter Praxis" wirtschaftenden Bauern sonst nicht abverlangt werden, so werden zusätzliche Zahlungen erbracht. Einem Abbau dieser Zahlungen, die pauschal "Agrarsubventionen" genannt werden, würde nur das Wort reden, wer eine intensive Großflächenlandwirtschaft auf den Gunststandorten, ein Brachfallen der Flächen auf den schlechteren Böden und eine Versorgung unserer Bevölkerung durch die Landwirtschaft Amerikas und Australiens haben will. Ich will das nicht - und auch sonst gibt es eigentlich keine politische Kraft in Europa, die einen solchen radikalen Weg beschreiten möchte.

Es ist sinnvoll, Schluß zu machen mit der Marktsteuerung durch die Bevorzugung einzelner Ackerkulturen. Es ist gut, Arbeit auf den Höfen zu fördern, indem Prämien an Arbeitsplätze gebunden werden. Und es ist zu begrüßen, wenn die Zahlungen dorthin gelenkt werden, wo sie am meisten Nutzen für Umwelt und Natur erbringen. Eine Reform der Agrarpolitik muß solche Wirkungen zeigen.

 

Dr. Felix Prinz zu Löwenstein ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau e. V. (AGÖL) in Berlin.


 
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