© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/02 12. Juli 2002

 
Kommunisten geben sich verhalten
Partien II: Die PDS hofft auch ohne "heißen Wahlkampf" ihre Klientel zu mobilisieren / Mit den nötigen Direktmandaten wird fest gerechnet
Fritz Schenk

Die etablierten Altparteien sind für die sogenannte heiße Phase des Bundestags-Wahlkampfes gerüstet. Auf ihren Parteitagen haben sie die Programme und personellen Konzeptionen verabschiedet, jetzt geht es in die Sommerpause, die weitgehend zur Mobilisierung des Anhangs genutzt werden soll. Ab Mitte August herrscht dann Wahlkampf pur. Die Zeit bis dahin wird wohl im wesentlichen für den einen oder anderen "Feinschliff" genutzt werden - im Großen und Ganzen aber sind die Fronten geklärt, die Formationen aufgestellt. So sehr sich die beiden Großen, SPD und Union, auch winden und das Wort "Lagerwahlkampf" zu vermeiden suchen, es nutzt nicht viel: Im Grunde ist sich das Wahlvolk einig, daß es sich letztendlich am 22. September um die Entscheidung zwischen Rot-Grün auf der einen und Schwarz-Gelb auf der anderen Seite handeln wird.

Bei allen Aufgeregtheiten und dem Medienrummel im Stadium des Vor-Wahlkampfes - da ist insbesondere das Friedman/Möllemann-Spektakel zu nennen - hat die PDS so gut wie keine Rolle gespielt. Ihre Stellungnahmen zu den Wahlprogrammen der anderen waren altes ideologisch überkleistertes "Pficht-blabla", das kaum öffentliche Erwähnung gefunden hatte, wie übrigens auch ihr eigenes "Konzept", das sich in den Floskeln "soziale Sicherheit und Gerechtigkeit" erschöpft. Ein wenig Gerangel hatte es um PDS-"Vor-zeige"-Kandidaten aus dem alten Bundesgebiet gegeben, wie zum Beispiel um die frühere "Panorama"-Moderatorin und inzwischen pensionierte Chefredakteurin des hessischen Fernsehens, Luc Jochimsen. Aber auch das gab nur Nebenbemerkungen in einigen Klatschspalten ab. Seit ihr quirliges Zugpferd Gregor Gysi in Berlin zu Senatorenwürden gekommen ist und dort in der verfahrenen städtischen Finanzkatastrophe unterzugehen droht, herrscht eher Sendepause.

Doch dieses öffentliche Bild ist trügerisch. Die PDS lebt, und sie zeigt keine Neigung, sich aus der deutschen Politik zu verabschieden. Das kann eine solche Gruppierung auch gar nicht, die ja nicht in erster Linie von und in der Öffentlichkeit lebt, sondern deren Wesensmerkmale der Kampf aus dem Untergrund und die Geheimbündelei sind. Kein geringerer Anlaß als der Liebknecht-Luxemburg-Gedenkmarsch zum kommunistischen "Heldenfriedhof" Berlin-Friedrichsfelde anfang Januar hatte gezeigt, wie viele Tausende die PDS noch auf die Beine bringt. Und bei allen Verlusten, welche die rot-grüne Linke in den letzten östlichen Landtagswahlen hatte hinnehmen müssen, sind die Stimmenanteile der PDS konstant geblieben. Mit den mindestens drei Direktmandaten, die für den Einzug in den Bundestag erforderlich sind, kann die PDS sicher rechnen (wahrscheinlich werden es sogar ein paar mehr), und inzwischen weisen die Meinungsumfragen auch aus, daß die PDS wohl sogar bundesweit die Drei-Prozent-Hürde überspringen wird. Das ist der Grund, weshalb das demokratische Lager diesen totalitären Überrest im deutschen Parteienspektrum nicht aus den Augen verlieren sollte.

Sozialistische Gesellschaft nach wie vor als Programm

Es sind vor allem zwei Gesichtspunkte, die bei der Beurteilung der PDS nicht vergessen werden dürfen: Erstens ihr ideologisches Grundkonzept und die daraus resultierenden gesellschaftspolitischen Ziele, und zweitens ihr unakzeptables, grundsätzlich negatives Verhältnis zum Recht oder einfacher ausgedrückt: ihre revolutionäre Grundhaltung, daß von ihr eroberte Macht das Recht im Interesse ihrer Weltverbesserungsidee außer Kraft setzen darf. Auch im Wahljahr ist es der jetzigen PDS-Führung nicht gelungen, ihr Grundsatzprogramm zu revidieren. Daher gilt noch immer, daß es ihr Ziel ist, den "Kapitalismus" zu überwinden und eine sozialistische Gesellschaft zu errichten. Sie steht positiv zu dem Experiment, in der DDR und dem "sozialistischen Lager" einen realen Sozialismus errichtet gehabt zu haben und schreibt sein Scheitern allein "undemokratischen und bürokratischen Strukturen" zu. Daß im Interesse dieses "Experiments" Millionen Existenzen zerstört, der gesamte eurasische Doppelkontinent ruiniert, mehr als einhundert Millionen unschuldige Menschen hingemordet und Generationen von Bürgern im Zustand von Leibeigenen einer Parteikaste gehalten wurden, wird gewissermaßen als Betriebsunfall einer ansonsten "humanistischen historischen Gesetzmäßigkeit" abgetan ("wo gehobelt wird, fall'n eben Späne"!). Die PDS hat auch nicht den Ansatz eines Versuchs unternommen, die aus dem Marxismus-Leninismus herrührenden Wurzeln des rotes Despotismus zu analysieren und sich von ihm loszusagen.

Noch gravierender ist ihr Umgang mit der personalen Hinterlassenschaft ihrer Despotie. Zwischen der Stasi (Staatssicherheit) in der DDR, NKWD/ KGB in der Sowjetunion, den entsprechenden Geheimdiensten und Repressionsapparaten in anderen realsozialistischen Ländern und den einst total herrschenden kommunistischen Parteien wird unterschieden, als seien dies völlig unterschiedliche Apparate gewesen, als seien diese wie von unsichtbaren außerirdischen Gewalten über die Regime gekommen. Überall waren diese Instanzen ganz offiziell und immer hoch gelobt "Schild und Schwert der Partei"! Die Stasi war die SED, ihr eigentlicher Kern, das Rückgrat der "Bewegung" schlechthin. Das SED-Politbüro an der Spitze, die Bezirks- und Kreissekretäre an der Basis, waren die Vorgesetzten der jeweiligen Stasi-Instanzen, Parteilose gab es bei der Stasi nicht, da war auch die letzte Hilfskraft noch Mitglied der SED. Staatssicherheitsminister und SED-Politbüromitglied Mielke mußte sowohl nach der Pfeife von Ulbricht und Honecker tanzen, wie in den letzten Wochen der DDR-Existenz nach der von Egon Krenz. Bereitwillig hat die Masse der SED-Mitglieder die Agenten-(Schauer)Geschichten der Stasi aufgenommen und Tausende von vermeintlichen Abweichlern, Dissidenten oder gar "Volksfeinden" verdammt, verurteilt, degradiert, entwürdigt und entmündigt - und all diese "Kader" bilden noch heute (gemeinsam mit den Genossen der "Organe") die Stammitgliedschaft der PDS.

Die salonfähige PDS im Bund wurde in Berlin vorbereitet

Der gemeinsame Coup von SPD und PDS zum Sturz des CDU-Senats in Berlin und die Regierungsbeteiligung der PDS nach der Wahl zum dortigen Abgeordnetenhaus im vergangenen Jahr waren nach Mecklenburg-Vorpommern und der Duldungskoalition in Sachsen-Anhalt die letzten Hürden für die Schröder-SPD, die PDS grundsätzlich salonfähig zu machen. Am 22. September wird deshalb auch darüber entschieden, ob die SED-Fortsetzer auch im Bund das Heft mit in die Hand nehmen dürfen. Neben den dominierenden Wahlkampfthemen Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Soziales, Gesundheit und Bildung, sollte dieses Thema ganz weit oben mit angesiedelt werden.

 

Fritz Schenk war von 1971 bis 1988 Co-Moderator, zuletzt Redaktionsleiter des ZDF-Magazins, danach bis zu seiner Pensionierung 1993 Chef vom Dienst der Chefredaktion des ZDF.


 
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