© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/02 12. Juli 2002

 
Vollendete Tatsachen
Ausländerstatistik: Arbeitslosigkeit, Sozialhilfeanspruch und schlechte Bildungsabschlüsse nehmen bei Nicht-Deutschen zu
Peter Freitag

Das Thema Zuwanderung wird im beginnenden Bundestagswahlkampf eine nicht unerhebliche Rolle spielen, obwohl (oder gerade weil) einige Politiker dieses Thema lieber aus der öffentlichen Debatte heraushalten und in die geschlossenen Zirkel der Kommissionen verbannen wollten. Nicht zuletzt der Eklat bei der Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes einerseits und die gesamteuropäische Brisanz des Themas andererseits, die rechten Parteien in den Nachbarstaaten zu Wahlerfolgen verhalf, machten dieser Strategie einen Strich durch die Rechnung.

Die beiden großen Volksparteien sprechen sich in ihren Wahlprogrammen trotz der in Bundestag und Bundesrat zutage getretenen Kontroverse weitgehend übereinstimmend für eine nach den Bedürfnissen des deutschen Arbeitsmarktes bestimmte Zuwanderung aus. Dabei betonen beide Programme den sogenannten "Wettbewerb um die besten Köpfe", also die Anwerbung höher qualifizierter ausländischer Arbeitskräfte. Ausschließlich verweisen sowohl das Programm der CDU/CSU als auch das Programm der SPD darauf, daß Ausländer nur dann angeworben werden sollen, wenn nicht genügend deutsche Arbeitslose für entsprechende Berufe, in denen Kräftemangel herrscht, qualifizierbar seien. Übereinstimmend stellen die Parteien auch fest, daß die Zuwanderung sich in Form einer Erhöhung der Beiträge in die Sozialversicherungssysteme niederschlagen soll. Ein Blick auf die Zahlen, die die Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen, Marieluise Beck (Bündnis 90/ Die Grünen) veröffentlichte, zeigt die Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit derzeit:

Ende 2000 lebten laut Angaben des Ausländerzentralregisters in Deutschland insgesamt 7,297 Millionen Ausländer; Ende 2001 betrug die Zahl 7,3186 Millionen, wobei dafür noch keine statistischen Vergleichszahlen vorliegen. Die Zahl aus dem Jahr 2000 entspricht einer Quote von 8,9 Prozent im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung, womit Deutschland im oberen Bereich der europäischen Staaten liegt. Der Anteil von Bürgern aus EU-Staaten beträgt etwa ein Viertel, den größten Anteil machen die etwa 2 Millionen türkischen Staatsbürger aus (27,4 Prozent), an zweiter Stelle kommen mit großem Abstand jugoslawische Staatsangehörige (9,1 Prozent). Die Ausländerquote nach räumlicher Verteilung zeigt allerdings ganz andere Werte. Zu 71Prozent verteilen sich die in Deutschland lebenden Ausländer auf die Länder Baden-Württemberg (12,5 Prozent), Bayern (9,2 Prozent), Hessen (12,1Prozent und Nordrhein-Westfalen (11,4 Prozent). In Hamburg und Berlin liegt die Quote mit 15,4 Prozent bzw. 12,8 Prozent noch höher. Für das Jahr 1995 wiesen die Großstädte Frankfurt am Main (30,1 Prozent), Stuttgart (24,1 Prozent) und München (23,6 Prozent) Spitzenwerte in der Ausländerquote auf.

Der Anteil von Ausländern stieg in Deutschland allerdings nicht nur durch Zuwanderung, sondern durch eine höhere Geburtenrate bei Ausländern, während die der deutschen Bevölkerung abnahm; entsprach 1967 der Ausländeranteil bei den Geburten noch einer Quote von unter 5 Prozent; stieg diese seit Anfang der siebziger Jahre auf durchschnittlich 10 bis 13 Prozent. Dieser Bereich der Statistik wird allerdings durch das neue Staatsangehörigkeitsgesetz weniger aussagekräftig, da seit dem 1. Januar 2000 Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren werden, automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, wenn ein Elternteil mindestens 8 Jahre rechtmäßig in Deutschland gelebt hat. Daher sank diese Quote von 12,4 Prozent im Jahr 1999 auf nur noch 7 Prozent im Jahr 2000. Die absolute Zahl der im Jahr 2000 hier geborenen ausländischen Kinder, nämlich 50.205, wäre nach altem Rechtsstand auf 91.026 zu erhöhen gewesen. Obwohl (ebenfalls durch das neue Staatsangehörigkeitsgesetz) seit dem 1. Januar 2000 die Möglichkeit der Einbürgerung hier lebender Ausländer erleichtert wurde, der Anteil der Eingebürgerten im Verhältnis zur ausländischen Wohnbevölkerung um etwa 30 Prozent also auch zunahm ( von einer Quote in Höhe von 1,46 Prozent 1998 auf 2,56 Prozent 2000), blieb die Ausländerquote in demselben Zeitraum bei 8,9 Prozent gleich. Dies liegt nicht zuletzt am positiven Wanderungssaldo im Jahr 2000 in Höhe von 86.466.

Wesentlich für die Debatte um eine zukünftige Zuwanderungsregelung im Verhältnis zu den bereits in Deutschland lebenden Ausländern ist die Frage des Verhältnisses zwischen Beiträgen in die soziale Sicherung und Inanspruchnahme staatlicher Leistungen. Im Jahr 2000 waren 3,012 Millionen Ausländer erwerbstätig. Im Juni 2000 zählte man für das Bundesgebiet West 1.922.813 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Ausländer, wobei der Anteil aus EU-Staaten bei 33 Prozent, der aus der Türkei Stammender bei 28,7 Prozent lag. Die Zahl arbeitsloser Ausländer betrug im Jahr 2000 (Bundesgebiet West) 436.788, was einen Rückgang um 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Trotz dieses Rückgangs ist das fortwährend hohe Niveau sowie die Quote im Vergleich zur deutschen Bevölkerung beachtenswert. Die jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote im Bundesgebiet West betrug 2000 7,8 Prozent, die der Ausländer jedoch 16,4 Prozent, womit sie also um 110,3 Prozent höher lag: Diese Differenz hat einen Spitzenwert erreicht. 78 Prozent aller arbeitslosen Ausländer im Jahr 2000 verfügten über keine abgeschlossene Berufsausbildung, diese Quote liegt knapp doppelt so hoch wie die deutscher Arbeitsloser. Gestiegen ist auch die Zahl der langzeitarbeitslosen Ausländer von 33,3 Prozent 1999 auf 34,4 Prozent 2000. Gemessen an der Zahl der arbeitslosen Ausländer ist deren Beteiligung an Weiterbildungsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit mit einem Anteil von unter 10 Prozent viel zu gering.

Ebenfalls besorgniserregend ist der überdurchschnittlich geringe Bildungsgrad hier lebender Ausländer: Über die Hälfte der Schulabgänger mit ausländischem Paß verlassen die Schule ohne Schulabschluß (einschließlich Sonderschulabschluß) oder Hauptschulabschluß. Im Vergleich mit Deutschen verlassen doppelt so viele ausländische Jugendliche die Hauptschule ohne Abschluß (16,7 Prozent gegenüber 8 Prozent). Der Abstand zwischen prozentualen Anteilen höherer Abschlüsse von deutschen und ausländischen Schulabgängern hat sich insgesamt nicht verringert. Auch diese Statistik wird bald günstiger ausfallen, nicht durch eine Verbesserung der Qualifikationen, sondern durch eine vermehrte Vergabe deutscher Pässe.

Das Statistische Landesamt Hessen gab in einer Presseerklärung Anfang Juli 2002 bekannt, daß die Zahl der Empfänger von Sozialhilfe im Jahre 2001 um 2 Prozent auf etwa 230.000 Personen (was einem Anteil von 4 Prozent an der Bevölkerung Hessens entspricht) zurückgegangen ist. Fast ein Drittel davon, nämlich 75.000 dieser Sozialhilfeempfänger sind Nichtdeutsche, "bei leicht steigender Tendenz". Ebenfalls Empfänger staatlicher Zuwendungen sind die 1,1 Millionen Flüchtlinge, die sich Ende des Jahres 2000 in der Bundesrepublik aufhielten. Ihr Anteil machte damit 14,1 Prozent der hier lebenden Ausländer aus. Knapp 33 Prozent dieser Flüchtlinge ist ein formeller Flüchtlingsstatus eingeräumt worden (Asylberechtigte, Konventions- oder Kontingentflüchtlinge).

Der Bericht der Ausländerbeauftragten weist zwar eine Statistik über fremdenfeindliche Straftaten auf, nicht jedoch eine über den Anteil ausländischer Straftäter. Hier ließe sich allerdings eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes einfügen, die für den Zeitraum von 1976 bis 1996 in der Altersgruppe der 14 bis 25jährigen einen Rückgang von Straftaten bei Deutschen um 26 Prozent feststellte, während bei entsprechenden Jugendlichen ausländischer Herkunft, deren Anteil an der Bevölkerung allerdings auch überproportional zugenommen hatte, eine Steigerung um 107 Prozent zu verzeichnen war. Die Frage, was Zuwanderung bringt und was sie kostet, dürfte für die Wähler also von gesteigertem Interesse sein.


 
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