© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/02 05. Juli 2002

 
Hundert vergessene Jahre
In Zittau erinnert eine Ausstellung an die Habsburger Jahre in der Oberlausitz
Paul Leonhard

Einmal im Jahr lassen die Zittauer den böhmischen König Ottokar II auf "dem Ring" um ihre Stadt reiten. Dann stellen sie beim traditionellen Stadtfest ein Ereignis nach, dem die ostsächsische Grenzstadt ihre Existenz verdankt. Denn 1255 hatte der adlige Herr die Flur umritten und so nach slawischer Sitte den Verlauf der Stadtmauer festgelegt. Darauf, daß die früher reiche Handelsstadt, die gemeinsam mit Bautzen, Löbau, Görlitz, Kamenz und dem heute polnischen Lauban den einst mächtigen Oberlausitzer Sechsstädtebund bildete, als Reichslehen fast 500 Jahre zur böhmischen Krone gehörte, sind die Bürger noch heute stolz. Weniger bekannt ist, daß die Stadt mehr als hundert Jahre von den Habsburgern regiert wurde. Jetzt haben sich Historiker auf die Suche nach Spuren dieser fast vergessenen Zeit gemacht und sind in der Architektur, der Kunst und der Wissenschaft fündig geworden. Von den Ergebnissen der Nachforschungen in sächsischen, tschechischen, österreichischen, polnischen und ungarischen Museen, Bibliotheken und Archiven berichtet noch bis zum 3. November eine internationale Ausstellung, die in den Städtischen Museen unter dem Titel "Welt-Macht-Geist­ ­- Das Haus Habsburg und die Oberlausitz 1526 - 1635" zu sehen ist.

Nach dem König Ludwig II. 1526 in der Schlacht bei Mohacs gefallen war, wurde Erzherzog Ferdinand von Österreich, der jüngere Bruder des römisch-deutschen Kaisers Karl V., noch im gleichen Jahr zum König von Böhmen gewählt und 1527 im Prager Veitsdom feierlich gekrönt. Mit der Wahlkönigswürde von Böhmen erlangten die Habsburger die Herrschaft über Böhmen, Mähren sowie die Markgrafschaften Schlesien, Nieder- und Oberlausitz und damit über eine der reichsten und fortschrittlichsten Regionen Mitteleuropas.

Zu diesem Zeitpunkt galt die Oberlausitz aufgrund ihrer günstigen geographischen Lage bereits seit jahrhunderten als eine Drehscheibe für handel, Verkehr und Kultur im Herzen Europas. Die "Hoge Straße" führte von Frankfurt am Main über Leipzig, Bautzen, Görlitz und Lauban bis nach Breslau und weiter nach Kiew. Ein selbstbewußtes Bürgertum war hier entstanden, daß den Landesherren weitgehende Privilegien abgetrotzt hatte und sich 1346 zur Sicherung des Landfriedens zum wirtschaftlich starken Sechsstädtebund zusammenschloß.

Einschneidend für den selbstbewußten Bund wirkte sich 1547 die Schlacht von Mühlberg, der sogenannte Pönfall (Straffall) aus. Die vom Sechsstädtebund gestellten Söldner hatten kurz vor der entscheidenden Schlacht das Feld verlassen und den König im Stich gelassen. Als dieser trotzdem die Schlacht gewann, mußten die Handelsstädte auf alle Privilegien verzichten. Görlitz beispielsweise verlor seinen gesamten Landbesitz. Wenigstens gewann die Gegenreform - Zittau hatte 1521 als erste Stadt der Oberlausitz die Reformation angenommen - in der Region keinen Fuß breit Boden mehr. Allerdings hielten die Habsburger ihre schützende Hand weiterhin über katholischen Einrichtungen wie den Klostern St. Marienstern in Panschwitz-Kuckau und St. Marienthal bei Ostritz.

Während des 30jährigen Krieges wurde die Oberlausitz an den Kurfürsten von Sachsen verpfändet. Denn die Habsburger konnten ihre Kriegsschulden - immerhin 72 Tonnen Gold - nicht bezahlen. Mit dem Prager Frieden 1635 endete schließlich die Herrschaft des Hauses Habsburg. Der neue Herr war Wettiner: Kurfürst Johann Georg I. Seitdem gehört die Oberlausitz zu Sachsen.

Auf diese 109 Habsburger Jahre macht die Schau im restaurierten Heffterbau, einem prächtigen Spätrenaissancegebäude, nun mit Kostbarkeiten aus mehr als 60 europäischen Sammlungen aufmerksam. So stammt der Riefelküraß des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen aus dem Kunsthistorischen Museum Wien und der vergoldete Dolch samt der mit Edelsteinen besetzten Scheide aus dem Budapester Kunstgewerbemuseum. Die Säulensonnenuhr aus dem Jahr 1576, gefertigt von dem Löbauer Mathematiker Hieronymus Lauterbach, hat das Steiermärkische Landesmuseum Joanneum beigesteuert. Das Porträtdiptychon Konig Ferdinands I. und der Anna von Böhmen und Ungarn (nach 1531) hat das Tiroler Landesmuseum Innsbruck zur Verfügung gestellt. Ebenfalls zu sehen sind das Schlachtschwert Kaiser Maximilians I., der Stammbaum der Habsburger, der Reichsapfel Ferdinands, ein mit Edelsteinen besetzter vergoldeter Bischofsstab sowie der Sechsstädtebundpokal. Aber auch viele Objekte aus Oberlausitzer Beständen, die kaum oder noch nie der Öffentlichkeit präsentiert wurden, sind zu sehen.

Die Habsburg-Ausstellung sei gerade vorherbestimmt, "die historische Identität des mitteleuropäischen Raumes anschaulich zu machen", schreibt Otto von Habsburg, Präsident der internationalen Paneuropa Union. Europa habe sich nach dem Zweiten Weltkrieg in den Köpfen vieler Menschen nach Osten verschoben. Dieser irrigen Ansicht wirke nun die Zittauer Ausstellung entgegen.

Anspruch der Schau ist es, auf dem Weg in ein geeintes Europa auf jene Zeit aufmerksam zu machen, in der die Oberlausitz als Verbindungsglied zwischen den mitteldeutschen Ländern sowie Schlesien, Böhmen, Österreich und Ungarn eine Drehscheibe des Handels und des Verkehrs war. An diese Tradition hofft man heute in Zittau und Umgebung anzuknüpfen, wenn man sich als Tor nach Mittelosteuropa im allgemeinen und im speziellen nach dem prosporierenden Wirtschaftsraum um das tschechische Reichenberg (Liberec) versteht. Erst mit dem Wegfall der Grenzen im Zuge der EU-Osterweiterung erhält die Oberlausitz die Chance, zu ihrer einstigen Stärke zurückzufinden.

 

Die Ausstellung "Welt - Macht - Geist. Das Haus Habsburg und die Oberlausitz" ist bis zum 3. November täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Info: 0 35 83 / 55 47 93 10.


 
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