© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/02 05. Juli 2002


Krise der Zeitungsverlage
Giganten in Seenot
Dieter Stein

Die Vielfalt der deutschen Presse ist in diesen Tagen unter enormen Druck geraten. Gigantische Einbrüche im Anzeigengeschäft treiben eine Zeitung nach der anderen in schweres Wetter. Der Rückgang gegenüber dem Vorjahr: Stellenanzeigen minus 42,2 Prozent, Immobilienmarkt minus 13,7 Prozent, Kfz-Markt minus 7,4 Prozent.

Man hat in den fetten Jahren über die Verhältnisse gelebt. Spekulierend auf weiter wachsende Umsätze stockten große Zeitungen wie besengt die Belegschaften auf. Noch vor vier Jahren beschäftigte die FAZ beispielsweise 450 Redakteure. Laut Geschäftsführung sind es jetzt 750. Mit immer neuen Prestigeprojekten, die wöchentlich Millionen verschlingen, versuchte man die Konkurrenten zu übertrumpfen.

Der FAZ-Verlag ließ mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung im September letzten Jahres die "Titanic" unter den Zeitungen vom Stapel. Durchweg vierfarbig sollte sie sonntäglich die Konkurrenz von Welt am Sonntag und Bild am Sonntag hinter sich lassen. Zuvor hatte die FAZ auf dem Berliner Markt mit einer millionenfressenden Lokalbeilage "Berliner Seiten" zu landen versucht. Nur rund 2.500 Vertreter der "Generation Golf" ließen sich für die FAZ mit Lokalteil zusätzlich begeistern. Die FAZ hatte vergangenes Jahr schon nach dem FAZ-Magazin das traditionsreiche Tiefdruck-Supplement "Bilder & Zeiten" eingestellt, dem nun zum 30. Juni die "Berliner Seiten" folgten. An fünf Fingern kann man abzählen, daß die Sonntagszeitung dieses Jahr noch versenkt werden könnte.

Der Verlust an Vielfalt geht immer weiter: Die Tageszeitung Die Welt hat ihre bayerische Ausgabe inzwischen eingestellt und fusionierte ihre Redaktion mit der Berliner Morgenpost, während die Süddeutsche Zeitung noch den Versuch unternimmt, eine Regionalausgabe NRW zu plazieren.

Vergangene Woche nun ein neuer Paukenschlag für den kriselnden Berliner Zeitungsmarkt: Die größte Abonnement-Zeitung, die Berliner Zeitung, wurde zum 1. Juli vom Verlag Gruner & Jahr an die Stuttgarter Holtzbrinck-Gruppe verkauft, der in Berlin bereits der Tagesspiegel gehört. Gruner&Jahr trennt sich derzeitig von allen Regionalzeitungen und will sich nur noch auf sein Kerngeschäft, den Zeitschriftensektor konzentrieren. Überall werden mit der Machete Redaktionen verkleinert, Entlassungen am Fließband geschrieben, die großspurigen Projekte eins nach dem anderen eingestellt. Die Wochenzeitung Die Woche hat den Frühling dieses Jahres nicht überlebt.

Wo bleibt da eine kleine unabhängige Zeitung wie die JUNGE FREIHEIT? Makabererweise kann sie kaum unter einem Anzeigenrückgang leiden, weil sie sowieso kaum Anzeigen hat. Der politisch motivierte Anzeigenboykott hat dafür gesorgt, daß sie auch nicht in großem Stil davon abhängig werden konnte. Noch wichtiger: Sie gehört nicht zu einer Verlagsgruppe, die sie von heute auf morgen über die Klinge springen lassen könnte. So hält die JF als kleines Schiff tapfer Kurs während neben ihr die Kolosse stampfend in der rauhen See versinken ...


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