© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/02 28. Juni 2002

 
CD: Jazz
Inspirierendes
Michael Wiesberg

Der 1938 geborene Alfred Mc Coy Tyner gilt als einer der größten Pianisten, die der Jazz hervorgebracht hat. John Coltrane bemerkte einmal über seinen ehemaligen Pianisten, daß dessen größte Gaben "sein melodischer Einfallsreichtum" und die "Klarheit seiner Ideen" seien. Ausgangspunkt von McCoy Tyners eigenständiger Musik war zunächst die Bop-Tradition und deren Weiterführung durch die Pianisten des Hardbops. McCoy Tyner nennt als Vorbilder die Pianisten Thelonius Monk und Bud Powell. Nach seinem Ausstieg bei John Coltrane wandte er sich mehr und mehr der spirituellen Dimension der Musik zu, deren tieferen Sinn Tyner in ihrer Fähigkeit zur "Läuterung" und zur "Erhebung" sieht.

Die Einspielung "Sama Layuca" stammt aus dem März 1974 und ist von Milestone Records neu aufgelegt worden (im Vertrieb von ZYX-Music Merenburg). Dieses Oktett-Album kann als ein frühes Dokument des Weltmusik-Gedankens gewertet werden, finden sich auf ihm doch lateinamerikanische, asiatische und afrikanische Rhythmen. Zu letzteren hat McCoy Tyner eine besondere Affinität. "Kompositionen, die von schwarzen Musikern geschrieben und gespielt werden", erklärte der Pianist einmal, "sind Vehikel, um die Leiden und die Kämpfe der schwarzen Menschen zu transportieren." Begleitet wird McCoy Tyner unter anderem von dem renommierten Vibraphonisten Bobby Hutcherson, mit dem zusammen er das Stück "Above the Rainbow" realisierte. Auch "Sama Layuca" dokumentiert die einzigartigen technischen Fertigkeiten von McCoy Tyner, dessen Fähigkeit, immer neue musikalische Landschaften zu entwerfen, staunenswert ist.

Ein neu wiederaufgelegtes Album ist auch "The Real Cat" (Gitanes Jazz Productions) des 1975 verstorbenen belgischen Jazzgitarristen René Thomas. Das filigrane Spiel des zunächst von Django Reinhardt inspirierten Thomas bezeichnete der Saxophonist Sonny Rollins als besser als das jedes amerikanischen Gitarristen, "die es heute auf der Szene gibt". Kritiker sahen in Thomas den "zukünftigen belgischen Django". Thomas, der Autodidakt gewesen war, war sich seiner Fähigkeiten durchaus bewußt. So erklärte er: "Der Öffentlichkeit werde ich irgendwann ein Begriff sein. Wenn es nicht im nächsten Jahr sein wird, dann halt im Jahr darauf." Der ganz große Durchbruch blieb diesem Ausnahme-Gitarristen, der im Alter von 47 Jahren starb, freilich versagt. Die Stücke, die auf "The real Cat" zu hören sind, entstanden Mitte der fünfziger Jahre, als Thomas in Paris lebte. Thomas besticht hier durch überraschungsreichen Melodieaufbau, in dem sich legato und staccato spannend vermischen. Mit von der Partie sind unter anderem der Kontrabassist Benoît Quersin und der Pianist René Urtreger.

Von Urtreger stammt auch das ebenfalls bei Gitanes Jazz Productions erschienene Album "Joue Bud Powell". Dieses Trio-Album von entstand wie "The real Cat" Mitte der fünfziger Jahre. Wie bereits der Titel anzeigt, ist der US-amerikanische Pianist Bud Powell einer der wichtigsten Inspirationsquellen von Urtreger. Urtreger erreichte durch seine Zusammenarbeit mit Miles Davis eine gewisse Bekanntheit. So wirkte er beispielsweise an den Dreharbeiten zu dem Film "Fahrstuhl zum Schaffott" mit. Dem Genre Filmmusik blieb Urtreger treu; ab Ende der sechziger Jahre war er überwiegend als Filmkomponist tätig.

Urtreger, der vom fünften Lebensjahr Klavierunterricht erhielt, wuchs in Südfrankreich und Nordafrika auf. 1953 debütierte er als Musiker. Das vorliegende Album ist also zu Beginn seiner Karriere entstanden, weist Urtreger aber bereits als ausgereiften Musiker aus. Zu hören sind neben Urtreger Benoît Quersin am Kontrabaß und Jean-Louis Viale am Schlagzeug. Ein Album, in dem sich viel von dem Flair der Pariser Jazzclubs der fünfziger Jahre widerspiegelt.


 
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