© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/02 28. Juni 2002

 
Respektlose Bestrafungen
Berlin: Anzeige gegen Anti-PDS-Demonstranten
Moritz Schwarz

Die Berliner Polizei hat gegen die drei Demonstranten Anzeige erstattet, die am Montag letzter Woche während der Gedenkfeier für die Opfer des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 vor der Gedenkstätte auf dem Friedhof Seestraße gegen die Berliner rot-rote Koalition und die Teilnahme von PDS- und SPD-Politikern an der Veranstaltung protestiert hatten.

Nach Aussage eines der drei Demonstranten gegenüber der JUNGEN FREIHEIT hat die Polizei das Ende der Veranstaltung und den Abzug der Presse abgewartet, um dann die Demonstranten - zwei von ihnen ehemalige politische DDR-Häftlinge - mit einer Anzeige zu "bestrafen". Nach Angaben des Teilnehmers Alexander Bauersfeld vom "Arbeitskreis der ehemaligen DDR-Häftlinge in der Evangelischen Kirche", hatte die Polizei sich zunächst erkundigt, ob man einen friedlichen Verlauf der Demonstration garantieren könne. Als dies zugesichert worden war, verzichteten die Ordnungshüter auf einen Platzverweis, erstatten aber dennnoch im Anschluß Anzeige. "Dabei haben wir den Friedhof aus Respekt vor den Toten des 17. Juni nicht betreten und auch nicht eigenmächtig die Kränze der anwesenden PDS/SED-Vertreter entfernt", so Bauersfeld gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. "Das war eine spontane Demonstration. Wir waren lediglich drei Personen."

Die Pressestelle der Berliner Polizei glaubt dagegen nicht an eine spontane Veranstaltung, dagegen sprächen die vorbereiteten Transparente. Diese waren allerdings für eine zuvor am Steinplatz abgehaltene Kundgebung der Opferverbände mitgeführt worden. "Ab drei Personen handelt es sich um eine anmeldepflichtige Demonstration", so ein Polizeisprecher gegenüber dieser Zeitung. "Eine rechtzeitige Anmeldung ist aber nicht erfolgt. Es geht also nicht um die Demonstration als solche, sondern um den Verstoß gegen die Anmeldepflicht. Die Beamten sind gehalten, diesen zu ahnden und haben keinen Ermessensspielraum."

Manfred Plöckinger, Veteran des 17. Juni und Vorsitzender des Opfer- und Interessenverbandes "Vereinigung 17. Juni" kommentierte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT das Vorgehen der Polizei mit den Worten: "Gerade hatten wir aus dem Munde des Innenministers etwas vom spontanen Mut der Aufständischen des 17. Juni gehört. Den 17. Juni haben wir auch nicht angemeldet."


 
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