© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/02 28. Juni 2002

 
"Diffuse nationale Protestbewegung"
Attac: Die Konrad-Adenauer-Stiftung will das Anti-Globalisierungsnetzwerk als linksradikales Aktionsbündnis entlarven
Alexander Barti

Seit dem Weltwirtschaftsgipfel von Seattle (1. Dezember 1999) ist kaum ein Treffen internationaler Finanz- und Wirtschaftsorganisationen zu Ende gegangen, bei dem es nicht Krawalle von von Globalisierungsgegnern gegeben hätte. Besonders in Genua im Juli 2001 lieferten sich die Demonstranten bürgerkriegsähnliche Straßenschlachten mit der Polizei, ein Randalierer, der italienische Kommunist Carlo Giuliani wurde dabei von der Polizei erschossen. Seit dem ist auch die Organisation mit dem Namen "Attac" in aller Munde. Doch wer ist Attac, welche Ideen und Köpfe verstecken sich dahinter? Um diese Fragen zu beantworten, hat die Konrad-Adenauer-Stiftung ein 33seitiges Arbeitspapier erstellt, in dem sie das Anti-Globalisierungsnetzwerk unter die Lupe nimmt.

Zunächst läßt sich feststellen, daß 1997 aufgrund der Turbulenzen an den Finanzmärkten Mitte der neunziger Jahre (Asienkrise) der Chef der stark linkslastigen französischen Monatszeitung Le Monde Diplomatique, Ignacio Ramonet, eine Initiative forderte, "um den ungehemmten Finanzspekulationen ein Ende zu setzen". Wenige Monate später kam es am 3. Juni 1998 zur Gründung von Attac (Association pour une Taxation des Transactions Financières pour l'Aide aux Citoyens) in Paris. Zu diesem Zeitpunkt umfaßte Attac rund 5.000 Mitglieder, heute sind es in Frankreich mehr als 30.000 in 220 Orten; nach eigenen Angaben verfügt die Organisation weltweit über 80.000 Mitglieder. Dabei werden alle Einzelpersonen und auch Vereine, Gruppen, Parteien, et cetera, mitgezählt, die die Attac Erklärung "Die Welt ist keine Ware. Eine andere Welt ist möglich" unterzeichnet haben.

Nach der Satzung von Attac treibt der Präsident "die Assoziation an und verfügt über weitestgehende Vollmachten, um ihre Außendarstellung sicherzustellen, in Frankreich wie im Ausland, gegenüber den öffentlichen Institutionen wie gegenüber Dritten". Die konstituierende Versammlung besteht aus zehn Personen, 47 Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) und anderen politischen Gruppen, die die Ziele von Attac unterstützen. In der Pariser Zentrale von Attac arbeiten zur Zeit sieben hauptamtliche Kräfte. Die Organisation ist schlank, die Verwaltung der Mitgliedsbeiträge hat man an eine Firma ausgelagert. In zahlreichen Orten sind neue Attac-Gruppen entstanden. Ein Höhepunkt des Jahres 2001 war der Attac-Kongreß "Eine andere Welt ist möglich!" vom 19. bis 21. Oktober 2001 in Berlin (JF 44/01), an dem 3.000 Aktivisten teilnahmen. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand die Einführung einer sogenannten Tobin-Steuer, um Finanzspekulationen zu besteuern. Der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger James Tobin hatte 1971 eine Steuer auf Umsätze an den Devisenmärkten vorgeschlagen. Die Diskussion über die Einführung der Tobin-Steuer begann aber erst 1994. Im Umfeld der UNDP (United Nations Development Program) wurde über eine unabhängige Finanzierung der Uno nachgedacht.

Die Organisationen, die sich unter dem Dach von Attac gegen die Globalisierung wenden, sind so vielschichtig in ihren Forderungen, daß man sich mit einer knappen Einordnung schwertut: antikapitalistische oder sozialromantische Vorstellungen mischen sich mit entwicklungspolitischen Forderungen - nicht selten findet man etliche Widersprüche in ihren Pamphleten.

Im Zentrum der Kritik der Globalisierungsgegner stehen der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die Welthandelsorganisation; m an wirft diesen supranationalen Organisationen vor, ohne demokratische Legitimation ihre Entscheidungen zu treffen. Außerdem fordert man die Stilllegung von Steuerfluchtplätzen wie Liechtenstein oder die Cayman-Inseln in der Karibik. Weitere Forderungen von Attac-Deutschland sind: Schuldenstreichung für die Entwicklungsländer, strengere Banken- und Börsenaufsicht, Stabilisierung der Wechselkurse zwischen Dollar, Euro und Yen, stärkere Besteuerung von Kapitaleinkünften und großen Vermögen, Reform des ungerechten Welthandelssystems, keine Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme.

Zum Netzwerk gehören Trotzkisten und DKPler

Die Analytiker der Konrad-Adenauer-Stiftung sehen hier eine "diffuse nationale Protestbewegung", die damit die Lücke, die die Grünen durch den Eintritt in die Bundesregierung hinterlassen haben, füllt und Themen aufgreift, "die bis zum Regierungswechsel 1998 Kernthemen der SPD waren".

Bemerkenswert sind die Organisationen, die sich zu dem Attac-Netzwerk zählen: Neben der Trotzkistenorganisation "Linksruck" sind die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), die Humanistische Partei Deutschlands und die Bundesarbeitsgemeinschaft Internationalismus (BAGI) mit von der Partie; letztere ist eine Organisation der PDS. Zu den Unterzeichnerorganisationen der Attac-Resolution gehören die Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung (INWO) und die Gruppe Euromärsche, die stark trotzkistisch beeinflußt ist und mit der PDS kooperiert. Starken Einfluß auf Attac besitzt WEED (Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung), das ebenfalls im Koordinierungskreis vertreten ist. WEED ist eine NGO, die von Personen aus dem Umkreis des Antiimperialistischen Solidaritätskomitees für Afrika, Asien und Lateinamerika gegründet wurde. Das Antiimperialistische Solidaritätskomitee war in den siebziger Jahren auf Initiative der DKP entstanden. Die Ila (Informationsstelle Lateinamerika) ist ebenfalls im Koordinierungskreis vertreten; sie spricht sich gegen die Ausgrenzung von gewaltbereiten Gruppen durch Attac aus. Neben den marxistisch-trotzkistisch gefärbten Organisationen sind auch grün-alternative Gruppen bei Attac aktiv. Zum Beispiel der Bundesverband Grüne Jugend. Allerdings ist das Verhältnis zu den Grünen durch ihre Regierunsgbeteiligung nicht ganz spannungsfrei.

Sehr aktiv bei Attac sind die Gewerkschaften: Zu den Mitgliedern zählen die HBV (Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen), die DGB-Jugend, das Bildungswerk der DAG und der GEW-Bundesverband. Vor ihrer Umbenennung und Umstrukturierung war auch die ÖTV Mitglied. 51 von 55 Personen, die die Erklärung der ÖTV zur demokratischen Kontrolle der internationalen Finanzmärkte unterzeichnet haben, stehen auch auf der Unterzeichnerliste von Attac. Der ÖTV-Nachfolger Verdi wird voraussichtlich in Kürze beitreten. Die IG Metall ist zwar bisher nicht Mitglied, auf der regionalen Ebene hat sich aber eine enge Zusammenarbeit entwickelt. Auch der Bundesverband der Jungsozialisten (Jusos) und die Redaktion der sozialistischen Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft engagieren sich für Attac.

Da Attac auch auf die Entwicklungspolitik Einfluß nehmen möchte, haben auch diesbezügliche Vereine unterschrieben, so zum Beispiel die pazifistisch-progressive Gruppe Pax Christi; bis zum 25. Mai 2002 war mit Martin Herndlhofer ein Pax-Christi Aktivist im Koordinierungskreis vertreten. Ebenfalls bei Attac aktiv ist "Kairos Europa". Diese Gruppe versteht sich als ökumenisches Netzwerk, mit protestantisch-marxistischen Tendenzen. Das Oswald von Nell-Breunig-Institut steht ebenfalls auf der Unterzeichnerliste; diese Forschungseinrichtung für christliche Wirtschafts- und Gesellschaftsethik wird von dem Jesuiten Friedhelm Hengsbach geführt und gehört zu den linksorientierten Denkschulen.

Eine nähere Betrachtung des am 25. Mai 2002 neu gewählten 19köpfigen Koordinierungskreises in Deutschland steht symptomatisch für die politische Ausrichtung von Attac: Lena Bröckl, Attac-Berlin, PDS-nah, trat wiederholt auf Veranstaltungen der Rosa-Luxemburg-Stiftung auf; Hugo Braun, Vertreter der Trotzkistengruppe Euromärsche, Mitglied der DKP; Heike Hänsel, Attac-Stuttgart, Mitglied der PDS; Kurt Haymann, Attac-München, ehemals Landesvorsitzender der Grünen in Bayern; Astrid Kraus, Attac-Köln, trat auch auf Veranstaltungen der Rosa-Luxemburg-Stiftung auf; Willi Lüpkes, Attac-Oldenburg, ehemaliger Ratsherr der Grünen in Oldenburg, arbeitet mit der trotzkistisch beeinflußten Organisation Euromärsche zusammen; Maria Mies, Attac-Frauennetz, emeritierte Professorin der FH Köln, engagierte Gegnerin der WTO und des Freihandels; Oliver Moldenhauer, Physiker und ehemaliges Mitglied der Grünen, heute bei der Ila beschäftigt; Oliver Pye Attac-Köln, Forstwissenschaftler, marxistisch orientiert, arbeitet zumindest punktuell mit "Linksruck" zusammen; Werner Rätz, Bezeichnet sich selbst als radikalen Linken und plädiert für die Notwendigkeit der Beteiligung radikaler Linker bei Attac; Peter Wahl, Vertreter von WEED, arbeitete schon bei dem Antiimperialistischen Solidaritätskomitee mit, das in den siebziger Jahren auf Initiative der DKP entstanden war.

Nach eigenen Angaben kommt das Netzwerk mit erstaunlich wenig Geld aus, allerdings mit steigendem Finanzrahmen. Der Haushalt des Jahres 2001 umfaßte 170.000 Mark, für 2002 geht man aber bereits von etwa 400.000 Euro aus. Im wesentlichen handelt es sich dabei um Mitgliedsbeiträge und Spenden. Hinzu kommen vereinzelt Projektzuschüsse, zum Beispiel von der Heinrich-Böll- Stiftung oder dem Ausschuß für entwicklungsbezogene Bildungsarbeit (ABP) der evangelischen Kirche. Die lokalen Attac-Gruppen erhalten 30 Prozent der Mitgliedsbeiträge aus ihrer Region für eigene Aktivitäten zurücküberwiesen.

Wie es mit Attac weitergeht ist noch nicht ganz klar. Sicherlich wird sich die Organisation strukturell verfestigen, mehr Vollzeitkräfte einstellen und mehr "Papier bedrucken". Gegen eine "Verparteiung" haben sich maßgebliche Aktivisten mit Verweis auf den Niedergang der Grünen ausgesprochen, aber damit ist nicht ausgeschlossen, daß Attac letztlich nur ein etwas anderes "Greenpeace" wird. Ein weiteres Problem dürfte die permanente Mobilisierung der Anhänger sein: außer professionellen Krawalltouristen werden auf Dauer nicht Heerscharen von Demonstranten von einem Polit-Gipfel zum anderen tingeln; aber ohne Randale scheint eine wirkungsvolle mediale Präsenz nicht gewährleistet. Letztlich dürfte auch die eindeutige Festlegung auf marxistische Utopien dafür sorgen, daß Attac eine politische Eintagsfliege bleibt.

 

Das Arbeitspapier Nr. 74, "Wer oder was ist ATTAC?", kann bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, Rathausallee 12, 53757 Sankt Augustin, angefordert werden


 
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