© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/02 28. Juni 2002

 
Gleiches Recht für alle
Sachsen: Ein Treffpunkt rechter Jugendlicher in der Oberlausitz-Stadt Zittau scheidet die Geister
Paul Leonhard

Das Gebäude in der Südstraße 8 gleicht einer Ruine. Die Fenster sind zugemauert. Der Putz bröckelt. Aber das Gebäude ist ein Politikum. Für das im ostsächsischen Dreiländereck zu Polen und Tschechien gelegene Zittau, für Sachsen, für ganz Deutschland. Denn hier hat seit zehn Jahren der Nationale Jugendblock (NJB) seinen Sitz.

Ein etwa 20 Mitglieder zählender Verein, der nach Einschätzung des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz "eine in Südostsachsen aktive neonationalsozialistische Organisation" ist und "seine Räume als Podium für den Austausch rechtsextremistischen Gedankenguts nutzt". Das hielt die Zittauer Stadtväter am Donnerstag vergangener Woche nicht davon ab, dem NJB einen auf zwölf Jahre festgelegten Erbbaurechtsvertrag für sein Vereinshaus anzubieten. Die Idee einer völligen Ausgrenzung des Vereins könne nicht das Handeln bestimmen, da Konfrontation und Aggression in diesem Falle vorprogrammiert wären, heißt es im Beschlußantrag der CDU-Stadtratsfraktion. Die Christdemokraten folgten dabei einem von fast 600 Zittauern unterzeichneten Aufruf einer Bürgerinitiative. Diese hatte angemahnt, daß allen Bürgern der Stadt das gleiche Recht, in Zittau zu leben, zu arbeiten und sich auch treffen zu können, zustehe.

Das Problem "rechtes Jugendhaus" beschäftigt die Stadtväter schon seit geraumer Zeit. Anfang der neunziger Jahre befand sich die linke Szene auf der Milchstraße und die rechte auf der Südstraße in einer Art Kriegszustand. Nach mehrfachen gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen links- und rechtsorientierten Jugendlichen bot die Stadt beiden Seiten eigene Clubs an. Der NJB wurde mit dem Ziel gegründet, "die rechtsorientierten Jugendlichen zu sammeln und ihnen eine Basis für eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung im Sinne des nationalen Grundgedankens zu ermöglichen", wie es in der Vereinssatzung heißt. Zwei Jahre später schlossen sich Vereine und Verbände, darunter auch die Diakonie und das Multikulturelle Zentrum sowie das Kreisjugendamt, zu einem Trägerverbund für das rechte Jugendhaus Südstraße zusammen. Allerdings kümmerte sich dieser immer weniger um sein Klientel und das städtische Anwesen verfiel. Mehrere Sozialarbeiter gaben die Arbeit mit den Jugendlichen entnervt auf. "Die Sozialarbeit ist gescheitert", räumt SPD-Stadtrat Ernst Schoofs ein, der selbst einst auf der Südstraße 8 Sozialarbeiter war.

Im Juni 2001 glaubte schließlich der damalige CDU-Oberbürgermeister Jürgen Kloß, sich des Problems elegant entledigen zu können. Aus baupolizeilichen Gründen kündigte er dem NJB den Mietvertrag und wollte das Haus schnellstens abreißen lassen. Allerdings protestierte das Landesamt für Denkmalpflege in Dresden gegen die Aufgabe eines geschützten Gebäudes aus politischen Erwägungen.

Keine Hinweise auf strafbare Handlungen

Gleichzeitig kursierten in der Stadt plötzlich Flugblätter, in denen mitgeteilt wurde, daß der NJB im Falle eines Rauswurfes für das "weitere Handeln einzelner Personen keine Verantwortung" übernehme. Überdies bot ein Gärtnermeister, eher der alternativen Szene angehörig, den Jugendlichen eine ihm gehörende leerstehende Villa in bester Zittauer Wohngegend an. Zudem warf der Vize-Landrat der Stadt vor, nicht den "nötigen Elan zu entwickeln, um diesem Klientel die Möglichkeit zu bieten, von der Straße zu kommen".

Schließlich sprach sich der Stadtrat im vergangenen Jahr mit großer Mehrheit für einen Verbleib des NJB in seinem Vereinshaus aus. Auf der Südstraße würden sie niemanden stören, und eine "sozialarbeiterische Einflußnahme" auf die Jugendlichen wäre in einem privaten Miethaus nicht mehr möglich, argumentierte beispielsweise der Stadtrat Georg Bielaß von den Freien Bürgern. Überdies habe das Jugendhaus dafür gesorgt, daß "Ruhe in der Stadt" war und "sich die Linken und die Rechten nicht den Schädel eingeschlagen haben", wie es CDU-Fraktionschef Andreas Johne sieht.

Anders sieht es die PDS-Landtagsfraktion: "Das Haus für rechte Jugendliche in Zittau würde für uns nur dann akzeptabel sein, wenn es dem 'Entzug' dient. Wenn dies nicht der Fall sein kann, müßte man das Projekt als gescheitert betrachten", stellte Peter Porsch, langjähriger sächsischer PDS-Parteichef, fest. Und auch der frühere Zittauer Sozialdezernent, Jürgen Löffler, spricht inzwischen mit Blick auf den aktuellen Verfassungsschutzbericht von einem "gescheiterten Projekt". Bereits 12- bis 14jährige würden beim NJB Zugang zum organisierten Rechtsextremismus finden, warnt Sachsens oberster Verfassungsschützer Reinhard Boos.

Vor der jüngsten Stadtratssitzung lehnte sich Boos noch einmal weit aus dem Fenster. Die Vereinsträger des NJB seien keine Jugendlichen, sondern eine Gruppe von weitgehend gefestigten Rechtsextremisten in der Altersgruppe um 25 Jahre. Nach Auffassung des LfV sollte sehr kritisch überlegt werden, ob dieser Verein ein geeignetes Objekt für die Jugendhilfe bzw. ein zuverlässiger Träger für ein Jugendobjekt wie das Vereinslokal sein kann. Überdies würden eigene Räumlichkeiten den NJB in die Lage versetzen, Zittau weiterhin zum Veranstaltungsort von Rechtsextremisten zu machen. Allerdings lag den Stadträten zu diesem Zeitpunkt auch eine Antwort des Innenministeriums vor. Danach würden zur Zeit "keine nachweisbaren Hinweise über strafbare Handlungen von Mitgliedern des NJB mit Organisationsbezug" vorliegen. Es gebe "keine schriftlichen Zeugnisse einer gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Tätigkeit des Vereins". Auch würden keine Hinweise für andere ordnungswirksame ideologisch-propagandistische Handlungen, wie Internetpräsenz oder Halten von öffentlichen Reden durch Mitglieder vorliegen. Ein vereinsrechtliches Verbot sei derzeit nicht möglich.

Damit sieht sich auch NJB-Mitbegründer Robert Pech in seiner Meinung bestätigt, die Verfassungsschützer würden den Verein "als Alibifunktion benutzen, um ihre Arbeitsplätze zu erhalten". Zittaus neuer Oberbürgermeister Arnd Voigt (Freie Bürger) will derweil durch sein Rechtsamt prüfen lassen, ob der vom Stadtrat beschlossene Abschluß eines Erbbaurechtsvertrages überhaupt rechtlich möglich ist. 


 
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