© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/02 28. Juni 2002


Nahost-Konflikt
Eine Mauer als Konsequenz
Martin van Creveld

Im Februar 2001 kam Ariel Sharon mit dem Versprechen an die Macht, endlich absolute Sicherheit zu gewährleisten. Auch wenn viele Wähler an diesem Versprechen gezweifelt haben mögen, so waren sie doch bereit, ihm eine Chance zu geben. Nun, nach eineinhalb Jahren Amtszeit ist sein Versagen allerdings augenfällig. Allein in der Woche vom 15. bis 22. Juni kamen 33 Israelis - Zivilisten, wie Militärs - ums Leben; und wenn in den nächsten Tagen nicht noch weitere Menschen getötet werden sollten, so wäre das wohl eine Überraschung.

Was auch immer man angesichts der Fernsehbilder von den israelischen Militäroperationen denken mag, verglichen mit dem Ausmaß an militärischer Schlagkraft, das die israelischen Streitkräfte entwickeln könnten, wenn sie wollten, und verglichen mit dem, wie andere Armeen in der Geschichte in solchen Situationen vorgegangen sind, trägt die israelische Armee Samthandschuhe. Allerdings ist es auch fraglich, ob schärfere militärische Maßnahmen überhaupt einen positiven Effekt haben würden. Weder der Einsatz von Jagdbombern, noch von Kampfhubschraubern hat bisher wirklich etwas bewirkt; ebensowenig das gezielte Eliminieren von tatsächlichen oder mutmaßlichen Terroristen oder die wiederholten blitzartigen Strafokkupationen palästinensischer Städte. Auch das Verhängen von Ausgangssperren und die Inhaftierung Tausender Palästinenser haben keine Wirkung gezeigt.

Und selbst neue radikale Maßnahmen, wie sie von einigen hier in Israel vorgeschlagen werden, wie zum Beispiel, sich Jassir Arafats gänzlich zu entledigen, oder die Familien von Selbstmordattentätern auszuweisen, würden nichts bewirken. Alles, was wir bewirken würden, ist den Haß und die Verzweiflung der Palästinenser noch weiter anzustacheln - und im übrigen könnte sich so mancher israelische Politiker oder Kommandeur, der für solche Maßnahmen die Verantwortung trüge, eines Tages vor einem internationalen Kriegsverbrechertribunal wiederfinden. Es gibt derzeit wohl nur eine Maßnahme, die etwas bewirken kann, und das ist, sich zurückzuziehen und eine Mauer zu bauen. Vom alten China bis Korea oder Zypern haben sich Mauern als sehr wirksam bei der Befriedung der Konflikte erwiesen. Vorausgesetzt natürlich, sie trennen beide Seiten neutral und dienen nicht nur als Besatzungsherrschaft in anderer Form.

Denn auch wenn derzeit die Mehrheit der Israeli eine Mauer fordert, so sind sie nicht bereit, die politischen Konsequenzen zu ziehen, die aus ihrem Bau folgen. Besser also, Israel, Du schnallst den Stahlhelm fester und ziehst die Splitterschutzweste enger!

 

Prof. Dr. Martin van Creveld lehrt an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Er ist ein international anerkannter Fachmann für Strategie und Militärgeschichte und Autor des Buches "Die Zukunft des Krieges" (Gerling Akademie Verlag, 1998)


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