© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/02 21. Juni 2002


Die Homo-Ehe ist verfassungswidrig
von Johann Braun

Das am 1. August 2001 in Kraft getretene Lebenspartnerschaftsgesetz, das Lesben und Schwulen die
Rechtsform einer eheähnlichen Partnerschaft zur Verfügung stellt, befindet sich nach wie vor auf dem verfassungsgerichtlichen Prüfstand. Die Fragen, um die es dabei geht, sind für die Öffentlichkeit teilweise nur schwer verständlich. Namentlich die juristischen Probleme, die mit dem beim Erlaß des Gesetzes praktizierten Verfahren zusammenhängen, sind für juristische Laien harte Kost. Im materiellrechtlichen Kernbereich indessen sind die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kritiker des Gesetzes auch für Nichtjuristen leicht nachvollziehbar. Sie betreffen zwei zentrale Vorschriften des Grundgesetzes, nämlich die Artikel 3 und 6. Zweck der folgenden Ausführungen ist es, in leicht nachvollziehbarer Form aufzuzeigen, worum es dabei geht.

Artikel 3 GG räumt Männern und Frauen gleiche Rechte ein und verbietet jede Benachteiligung oder Bevorzugung aufgrund des Geschlechtes. Der Gesetzgeber darf daher zwischen Männern und Frauen nicht differenzieren, es sei denn, daß ihm dies ausnahmsweise durch die Verfassung selbst gestattet wird.

Nimmt man das Differenzierungsverbot wörtlich, so steht es selbst einer staatlichen Ehegesetzgebung entgegen. Denn auch bei der Ehe räumt der Gesetzgeber Männern und Frauen unterschiedliche Befugnisse ein: Ein Mann darf eine Frau heiraten; einer Frau dagegen ist die Ehe mit einer anderen Frau versagt. Umgekehrt darf eine Frau die Ehe mit einem Mann eingehen, während einem Mann die Ehe mit einem Mann nicht möglich ist. Verfassungsrechtlich ist dies jedoch nicht weiter problematisch. Artikel 6 GG stellt die Ehe ausdrücklich unter staatlichen Schutz und schafft dadurch eine verfassungsrechtliche Legitimation dafür, daß der Gesetzgeber die Ehe in Abweichung von Artikel 3 GG geschlechtsdifferenzierend regelt. Gesetzestechnisch handelt es sich bei Artikel 6 GG also um eine Spezialvorschrift, die Artikel 3 GG vorgeht.

Nach dem Geschlecht wird jedoch nicht nur bei der Ehe, sondern auch bei der Eingetragenen Lebenspartnerschaft differenziert, wenn auch in anderer Weise: Einem Mann steht die Lebenspartnerschaft nur in Verbindung mit einem anderen Mann, nicht jedoch mit einer Frau offen; umgekehrt kann sich eine Frau nur mit einer Frau und nicht mit einem Mann verpartnern. Einem Mann wird also etwas erlaubt, was einer Frau verwehrt ist, nämlich die Partnerschaft mit einem Mann. Und einer Frau wird erlaubt, was einem Mann untersagt ist: die Partnerschaft mit einer Frau. Beides steht in Widerspruch zu dem absoluten Differenzierungsverbot des Artikels 3 GG und ist daher verfassungswidrig, es sei denn, daß es auch für diese Abweichung eine besondere verfassungsrechtliche Legitimation gibt.

Anders als bei der Ehe schweigt die Verfassung hier. Das ist nicht weiter verwunderlich. Für den Verfassungsgeber war praktizierte Homosexualität strafbares Unrecht. Die Vorstellung einer gesetzlich geregelten gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft wäre dem Verfassungsgeber abenteuerlich vorgekommen. Die Auffassung vieler Bürger ist zwar heute eine andere. An einem jedoch fehlt es nach wie vor: nämlich an einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dafür, um zugunsten einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft von dem Differenzierungsverbot des Artikels 3 GG abweichen zu dürfen. Das schließt nicht aus, daß für die Lebenspartnerschaft eine ähnliche Legitimationsgrundlage, wie sie für die Ehe in Art. 6 GG enthalten ist, nachträglich geschaffen wird. Allerdings bedarf es dazu einer verfassungsändernden Mehrheit. Solange es daran fehlt, führt kein Weg daran vorbei, daß ein Lebenspartnerschaftsgesetz, das allein homosexuellen, nicht jedoch heterosexuellen Paaren offensteht, gegen Artikel 3 GG verstößt.

Die Befürworter des Gesetzes haben sich wortreich darum bemüht, diese fundamentale Schwäche des Gesetzes durch allerlei Behelfskonstruktionen zu überwinden. Teilweise hat man die gesetzliche Regelung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zu einem Gebot der Menschenwürde erklärt. Das ist jedoch schon deshalb zum Scheitern verurteilt, weil sich aus der für alle gleichen Menschenwürde, wenn überhaupt, nur das Gebot der personalen Gleichbehandlung, nicht jedoch ein Gebot der Ungleichbehandlung ableiten läßt. Andere haben geglaubt, unter den verfassungsrechtlichen Begriff der Ehe aufgrund Verfassungswandels auch die "Homo-Ehe" subsumieren zu können. Zur Bildung von Verfassungsgewohnheitsrecht bedarf es jedoch einer länger andauernden Praxis von Verfassungsorganen. Davon kann hier nicht die Rede sein. Mangels anderer Argumente hat man sich daher immer wieder auf die zur Zeit des Nationalsozialismus betriebene Homosexuellenverfolgung berufen. Das damals erlittene Unrecht soll es nach dieser Auffassung offenbar rechtfertigen, mit dem heute geltenden Verfassungsrecht zugunsten Homosexueller etwas großzügiger umzugehen.

Jedem Juristen ist an sich klar, daß die Klippe des Artikels 3 GG auf diese Weise nicht zu überwinden ist. Wo mehr mit dem Gefühl als mit dem Verstand argumentiert wird, ist dies freilich schwer zu vermitteln. Hier wird nach wie vor ein ganz anderer Vergleich angestellt. Anstatt zu fragen, was es verfassungsrechtlich rechtfertigen könnte, einem Mann etwas zu erlauben, was einer Frau versagt ist, und umgekehrt, wird hier in aller Unschuld die Frage gestellt, warum, wenn die Ehe zulässig ist, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft, bei der doch vieles "so ähnlich liegt", nicht ebenfalls zulässig sein soll. Daß es bei Artikel 3 Absatz 2 und 3 GG um die Gleichbehandlung von Personen und nicht von Institutionen geht, wird dabei schlicht übersehen.

Allein dann, wenn man den verfassungsrechtlichen Verstoß gegen das absolute Differenzierungsverbot außer Acht läßt, tritt als weitere Verfassungsnorm Artikel 6 GG in den Blick. In der Öffentlichkeit ist gelegentlich der Eindruck erweckt worden, als sei dies der einzige verfassungsrechtlich relevante Gesichtspunkt überhaupt. Das ist nicht richtig. Es handelt sich insoweit vielmehr um eine hilfsweise geführte Auseinandersetzung: hilfsweise für den Fall, daß jemand das Lebenspartnerschaftsgesetz aus unerfindlichen Gründen mit Artikel 3 GG für vereinbar halten sollte. Selbst dann, so lautet das Argument, wäre das Gesetz verfassungswidrig. Es verstößt nämlich zusätzlich auch gegen Artikel 6 Absatz 1 GG.

Durch diese Vorschrift werden Ehe und Familie "unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung" gestellt. Das geschieht nicht ohne Grund; denn die Ehe ist, wie die Erfahrung lehrt, von zwei Seiten her gefährdet. Einmal kann der Staat die Ehe für politische Zwecke instrumentalisieren. Zum andern können aber auch die Einzelnen sich von der Ehe abwenden und Präferenzen für andere Lebensformen entwickeln. Die auf Lebenszeit geschlossene, monogame Ehe versteht sich nicht von selbst. Sie ist ein Produkt der westlichen Kultur und wird nur so lange Bestand haben, wie sie von den tragenden Kräften unserer Gesellschaft geschützt und befördert wird. Nach Artikel 6 GG wird dies zu einer staatlichen Aufgabe erklärt.

Die dauerhafte Verbindung von Mann und Frau ist für die Verfassung wesentlich mehr als eine Lebensform unter anderen. Sie ist die Daseinsgrundlage der Gesellschaft. Sie erschöpft sich nicht darin, ein Solidarpakt mit sexueller Grundierung zu sein. Sie ist vielmehr die Keimzelle des Lebens, aus der die nächste Generation hervorgeht, der Ort, wo kulturelle Traditionen weitergegeben und wo die Rollenbilder vermittelt werden, an denen wir uns später orientieren. All dies zusammen erklärt, warum Artikel 6 GG von dem Differenzierungsverbot des Artikels 3 GG eine Ausnahme macht. Zugunsten der Ehe darf, zugunsten der Ehe soll sogar differenziert werden.

Näher besehen, weist der "besondere Schutz" der Ehe, den Artikel 6 GG verheißt, zwei Aspekte auf. Einmal ist damit die materielle Ausstattung der Ehe angesprochen, die vor allem durch das Steuerrecht tangiert werden kann. In der Vergangenheit bestand mehrfach Anlaß, den Gesetzgeber insoweit zu rügen. Sodann aber geht es darum, die Ehe als gesellschaftliches Leitbild zu erhalten. Artikel 6 GG untersagt daher eine Politik, die auf eine Schwächung der Ehe hinausläuft. Eine solche Schwächung ist absehbar, wenn der Ehe ein weiteres, gleichwertiges Leitbild an die Seite gestellt wird. Von den Befürwortern des Lebenspartnerschaftsgesetzes ist argumentiert worden, daß die Eingetragene Lebenspartnerschaft die rechtliche Grundlage der Ehe nicht berühre und der Ehe auch sonst nichts nehme. Das trifft nicht zu. Das Lebenspartnerschaftsgesetz nimmt der Ehe sehr viel, vielleicht sogar das Wichtigste: es nimmt ihr die Einzigartigkeit.

Nach nahezu allgemeiner Auffassung verbietet Artikel 6 GG dem einfachen Gesetzgeber daher, die Rechtsform der Ehe unmittelbar für eine Partnerschaft zu öffnen, die ihrer Natur nach keine Ehe ist. Artikel 6 GG verbietet aber auch, daß eine solche Partnerschaft mit einer sehr ähnlichen, eng an die Ehe angelehnten Rechtsform ausgestattet wird. Denn verfassungsrechtlich geschützt ist nicht der Name "Ehe"; geschützt ist die Sache.

Von seiten der Befürworter des Gesetzes wird daher regelmäßig behauptet, die Eingetragene Lebenspartnerschaft sei ein eigenständiges Institut, das in verfassungsrechtlich klarer und hinreichender Differenz zur Ehe stehe. Wo sich die Lebenspartnerschaft an die Ehe anlehne, sei dies sinnvoll und sachgerecht. Wo sie davon abweiche, beruhten die Unterschiede auf einem klaren, nachvollziehbaren und konsequent durchgehaltenen Konzept. Wenn dem so wäre, so wäre gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz unter dem Aspekt des Artikels 6 GG nichts zu erinnern. Tatsächlich jedoch verhält es sich anders.

Bereits im Vorfeld des Gesetzes ist die Bundesjustizministerin mit der Bemerkung zitiert worden, es sei richtig, daß man "allen Mut zusammennimmt und der Gleichstellung mit der Ehe so nahekommt wie irgend möglich." Von dem Bundesinnenminister ist nachträglich ein Schreiben bekannt geworden, in dem es hieß: "Das Gesetzesvorha-ben (...) stellt die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft weithin der Ehe gleich. Das halte ich so mit Artikel 6 Absatz 1 GG nicht für vereinbar." In einem neueren Familienrechtslehrbuch schließlich heißt es über den Gesetzesentwurf: "Im übrigen prägt den Entwurf der Suchbefehl der Textverarbeitung nach dem Wort 'Ehegatte' im deutschen Recht, jeweils gefolgt von einer Einzelbegründung, die sich in steter Wiederholung der Floskel 'soll für die Lebenspartnerschaft ebenfalls gelten' erschöpft. Die Aufspaltung in zwei Gesetze hat nichts ... geändert... Der eheähnliche Gehalt des Instituts ist ... erhalten geblieben."

Obwohl gleichgeschlechtliche Lebenspartner regelmäßig wirtschaftlich selbständig sind, obwohl sie oft nicht einmal einen gemeinsamen Haushalt führen, haben sich die Ge­setzesverfasser bei der Konzeption des Lebenspartnerschaftsgesetzes nicht an den Eigen­tümlichkeiten tatsächlich gelebter Partnerschaften orientiert, sondern sich eng an die Ehe angelehnt. Zum Teil haben sie sich sogar die Haushaltsführungs- und Zuverdienerehe zum Vorbild genommen, für die es bei der Lebenspartnerschaft kaum eine Entsprechung gibt. Ziel war es offenbar nicht, einem tatsächlichen Bedürfnis Rechnung zu tragen. Ziel war es, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft an die Ehe heranzuführen und dadurch sym­bolisch zum Ausdruck zu bringen, daß es sich für den Staat um gleichwertige Lebens-for­men handelt.

Einige Beispiele mögen genügen, dies zu verdeutlichen: Das Lebenspartner-schaftsge­setz erlaubt den Partnern zunächst, einen gemeinsamen Namen zu führen wie Ehegatten. Bei der Ehe hat der gemeinsame Name seine hauptsächliche Bedeutung für gemeinsame Kinder, die es bei gleichgeschlechtlichen Partnern naturgemäß nicht gibt. Das Gesetz übernimmt aus dem Eherecht sodann die sogenannte Schlüsselgewalt, deren Sinn es ist, den Handlungsspielraum eines haushaltsführenden Ehegatten durch eine gesetzliche Ver­pflichtungsermächtigung zu erweitern. In Anlehnung an die Ehe sieht das Lebenspartner­schaftsgesetz als Regelgüterstand die Zugewinngemeinschaft vor. Diese ist evident auf den Typ der Hausfrauen- oder Zuverdienerehe zugeschnitten, in der einer der Ehegatten seine berufliche Karriere wegen Haushaltsführung und Kinderbetreuung zurückstellt. Nach dem Vorbild der Ehe wird auch die Lebenspartnerschaft im familiengerichtlichen Verfahren durch ein richterliches Gestaltungsurteil aufgehoben. Im Anschluß daran sind ähnlich wie bei der Ehe lebenslange Unterhaltspflichten vorgesehen. Zum Ausgleich ehebedingter Nachteile kann dies sinnvoll sein; lebenspartnerschaftsbedingte Nachteile dieser Art dürfte es jedoch kaum geben. Auch im Erbrecht werden gleichgeschlechtliche Lebenspartner wie Ehegatten behandelt. Das geht so weit, daß für den überlebenden Partner ein ehegatten­gleiches Pflichtteilsrecht vorgesehen ist. Ebenso wie für die Ehe wird also eine familiäre Vermögensbindung hergestellt, derzufolge ein Partner am Nachlaß des anderen selbst dann partizipiert, wenn der andere ihn eigentlich ausschließen wollte. Zu allem Überfluß werden die Lebenspartner im Verhältnis zueinander auch noch als "Familienangehörige" und die Verwandten jedes Teils als mit dem anderen Partner "verschwägert" erklärt.

All dies und anderes mehr haben die Gesetzesverfasser mit einer Reihe von rein termi­nologischen Änderungen kombiniert, deren Sinn es nur sein kann, das Ausmaß der Anleh­nung an die Ehe zu kaschieren. Im Schrifttum hat man insoweit von "lächerlicher Be­griffsbil-dung" gesprochen. Auf wenig Gegenliebe sind hier auch die tatsächlichen Abwei­chungen vom Eherecht gestoßen, die die Gesetzesverfasser in das Lebens-partnerschaftsge­setz eingebaut haben. Diese werden fast durchweg als willkürlich kritisiert.

So sieht das Lebenspartnerschaftsgesetz etwa einen Zugewinn-, aber keinen Versorgungsausgleich vor, obwohl beide auf demselben Grundgedanken beruhen und der Versorgungsausgleich unter heutigen Verhältnissen noch dringlicher ist als der Zugewinnausgleich. Verfügungsbeschränkungen bei der Zugewinngemeinschaft, deren Sinn nicht zuletzt darin besteht, einen späteren Zugewinnausgleich zu sichern, werden von dem Gesetz auf den Fall der Gütertrennung übertragen, wo es überhaupt keinen Zugewinnausgleich gibt. Geradezu umwerfend ist schließlich, daß das Gesetz neben der förmlichen Aufhebung der Lebenspartnerschaft durch richterliches Urteil eine formlose rechtsgeschäftliche Anfechtung vorsieht. Wer also feststellt, daß er sich in wesentlichen Charaktereigenschaften seines Partners geirrt hat, kann die Partnerschaft durch eine mündliche Erklärung, noch dazu rückwirkend beenden.

"Wahrscheinlich", heißt es in einem einschlägigen Fachbuch, "haben die Gesetzesverfasser nach Normen des Eherechts gesucht, die man am ehesten ohne inhaltliche Verluste weglassen und mit denen man den Eindruck erwecken und untermauern konnte, das Lebenspartnerschaftsgesetz sei eben doch keine komplette Übernahme des Eherechts, sondern bilde ein eigenständiges neues Rechtsinstitut aus." In einem Praktikerkommentar wird das angeblich neue Rechtsinstitut zusammenfassend so charakterisiert: "Das Lebenspartnerschaftsgesetz normiert im wesentlichen ein Abbild der Ehe. Die Vielzahl der Verweisungen auf eherechtliche Vorschriften im Lebenspartnerschaftsgesetz und bis in den Wortlaut parallele Nachbildungen führen zu einem systematisch gleichrangigen Rechtsinstitut (Quasi-Ehe), bei dem alle Kernelemente des Eherechts kopiert wurden ..."

Für jeden, der Artikel 6 GG ernstnimmt, kann es nach all dem keinem Zweifel unterliegen, daß das Lebenspartnerschaftsgesetz mit dem zugunsten der Ehe ausgesprochenen Schutzgebot nicht vereinbar ist.

Mit Artikel 6 GG stünde das Gesetz nur dann in Einklang, wenn diese Vorschrift anders lauten würde, beispielsweise so, wie es von dem Landesverband Schleswig-Holstein der Partei Bündnis 90/Die Grünen auf einem virtuellen Parteitag kürzlich vorgeschlagen wurde. Danach soll Artikel 6 Absatz 1 GG folgenden Wortlaut erhalten: "Kinder und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung." Die Ehe soll danach also gänzlich aus dem staatlichen Schutzauftrag herausgenommen werden. Zur Begründung heißt es: "Dieser besondere Schutz der Ehe ist heute nicht mehr gerechtfertigt ..."

Das ist ein offenes Wort. Um es in politische Tat umzusetzen, bedarf es freilich einer verfassungsändernden Mehrheit. Diese ist weder gegenwärtig vorhanden noch dürfte sie sich in Zukunft finden. Denn wenn die Ehe aus Artikel 6 GG gestrichen würde, hieße dies noch lange nicht, daß die Eingetragene Lebenspartnerschaft für homo-sexuelle Paare dann verfassungsgemäß wäre. Die Folge wäre vielmehr nur die, daß die Eingetragene Lebenspartnerschaft nicht länger gegen Artikel 6 GG verstieße. An dem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Artikels 3 GG indessen würde die Änderung des Artikels 6 GG nichts ändern. Das Lebenspartnerschaftsgesetz bliebe daher verfassungswidrig.

Für das Eherecht dagegen hätte die Streichung der Ehe aus Artikel 6 GG eine sehr gravierende Folge. Damit entfiele nämlich der rechtfertigende Grund dafür, daß der Gesetzgeber zugunsten der Ehe von dem absoluten Differenzierungsverbot des Artikels 3 GG abweichen darf. Das Eherecht verstieße dann ebenfalls gegen den Gleichheitssatz. Lebenspartnerschaftsgesetz und staatliches Eherecht wären also beide verfassungswidrig, und zwar aus demselben Grund. Das aber wird der verfassungsändernde Gesetzgeber wohl doch nicht wollen, so sehr auch die Wortführer der einschlägigen Interessenverbände auf dieses Ziel insgeheim hinarbeiten mögen.

 

Prof. Dr. Johann Braun lehrt Zivilprozeßrecht, Bürgerliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Passau. Zuletzt veröffentlichte er das Buch "Ehe und Familie am Scheideweg" (S. Roderer Verlag, Regensburg).


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