© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/02 21. Juni 2002

 
Unbeirrbarer Streiter für das Gemeinwohl
Dem Politikwissenschaftler, JF-Autor und engagierten Kritiker totalitärer Ideologien Klaus Hornung zum 75. Geburtstag
Albrecht Jebens

Am 26. Juni 2002 wird Klaus Hornung, den Lesern der JUNGEN FREIHEIT seit Jahren als Autor und Kommentator bestens bekannt, 75 Jahre alt, "jung" müßte man eigentlich sagen, wenn man weiß, wie sich der Jubilar für unser Gemeinwesen mit steigendem Lebensalter einsetzt. Vor zehn Jahren, im Jahre 1992, also noch im Windschatten der zwei Jahre zuvor vollzogenen staatlichen Einheit Deutschlands, haben Freunde und Weggefährten aus dem wissenschaftlichen und politischen Bereich dem damals 65jährigen Jubilar eine Festschrift unter dem Titel "Identität und Zukunft der Deutschen" auf den Gabentisch gelegt. Die Jahre seitdem haben manche Wünsche des damaligen Jubilars Wirklichkeit werden lassen. Doch eine wesentliche Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt: das Verschwinden der totalitären Versuchung und Gefahr, der wir Deutsche trotz der Erfahrung mit der DDR als der jüngsten Diktatur auf deutschem Boden, wieder zu erliegen drohen.

Klaus Hornung wurde am 26. Juni 1927 in Heilbronn geboren. Er wuchs in einer streng protestantisch geprägten Familie während des nationalsozialistischen Dritten Reiches auf und wurde - wie fast alle Angehörigen seiner Generation - Mitglied der Hitlerjugend. Sein vaterländischer Optimismus schlug sich noch 1940 darin nieder, daß er mit dem Erlernen der italienischen Sprache "die zweite große kontinentale Sprache der künftigen neuen Ordnung Europas" beherrschen wollte. Doch trotz entsprechender Prägung erkannte er schon zwei Jahre später, als 15jähriger Junge, die heute nicht mehr nachvollziehbare Lähmung der Urteilskraft der damaligen Erwachsenen durch den "politischen Genius Hitler" anhand der Folgen seiner Kritik, die er als Bannführer der HJ beim politischen Unterricht im Herbst 1942 an den überdehnten Frontlinien bei Stalingrad und im Kaukasus vorbrachte, was ihm nämlich ein Banngerichtsverfahren einbrachte. Diese erste, leibhaftige Erfahrung mit der totalitären Macht des nationalsozialistischen Ideologiestaates zeigte ihn schon damals aufgeweckt und kritisch im Umgang mit den vorgegebenen Größen seiner Zeit. Und daran hat sich grundsätzlich bis heute nichts geändert; eben die beherzte Kritik an scheinbar nicht zu hinterfragenden, angeblich unveränderbaren Positionen. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Hornung noch Soldat und kam zum Fronteinsatz gegen die Amerikaner in Thüringen.

Nach seiner Entlassung aus US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft legte Hornung in Heilbronn 1946 das Abitur ab, um anschließend in München und Tübingen Geschichte, Politikwissenschaft, Germanistik und Anglistik zu studieren. Der ihn im Studium besonders prägende akademische Lehrer ist der Historiker Hans Rothfels (1891-1976) gewesen, bei dem er auch seine Promotion über den Jungdeutschen Orden ablegte und dem er jüngst eine wertvolle Schrift widmete (JF 23/02). Nach den beiden Staatsexamina 1952 und 1955 war Hornung als Gymnasiallehrer und Leiter der Landeszentrale für Politische Bildung tätig. Im Jahre 1962 folgte dann eine Dozentur und 1967 schließlich die Professur für Politikwissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Reutlingen. Nachdem er sich 1974 habilitiert hatte, war Hornung außerdem Privatdozent an der Universität Freiburg, übernahm 1980 eine zweisemestrige Gastprofessur an der Universität Kairo, bis er 1987 den Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der Universität Hohenheim erhielt, den er bis zu seiner Emeritierung 1992 innehatte.

Die eingangs geschilderte erste Erfahrung in der Jugend mit der totalitären Staatsmacht hat Hornung tiefgeprägt. Sie machte ihn zu einem unbeirrbaren Streiter gegen alle ideologischen Weltbeglückungssysteme mit ihren scheinbar nicht vorhandenen Widersprüchen. Er verstand seinen Einsatz für das Gemeinwohl aber nicht nur im akademischen Bereich, sondern auch im praktischen politischen Leben. So wurde er 1962 Mitglied der CDU, weil er die Westorientierungspolitik des damaligen Kanzlers Adenauer als Voraussetzung für eine künftige Wiedervereinigung Deutschlands unterstützte. Von 1964 bis 1968 war er stellvertretender Kreisvorsitzender der Reutlinger Christdemokraten.

Die bedeutendere Arbeit für das Gemeinwohl im öffentlichen Bereich aber hat Klaus Hornung seit 1979 in dem vom ehemaligen Ministerpräsidenten Hans Filbinger gegründeten Studienzentrum Weikersheim entfaltet. Er stieg als Kurator und dann Wissenschaftsbeauftragter rasch in das Führungsgremium auf, um schließlich im Mai 2001 Nachfolger des seit 1997 amtierenden Präsidenten Wolfgang Freiherr von Stetten zu werden. So wurde er der dritte Präsident der sogenannten Denkfabrik im Taubertal, die in der Zwischenzeit ihre Geschäftsstelle von Stuttgart nach Berlin verlegt hatte. Die Übernahme eines solchen Postens mit knapp 74 Jahren ist mehr als bemerkenswert. Seitdem hat das Studienzentrum eine in der Lebenserfahrung des Jubilars noch klarere, pointiertere Prägung in das konservative, christliche, nationale Feld der Politik erhalten, und dies trotz vieler Anfeindungen. Solch erneute ehrenamtliche Übernahme von Verantwortung für das Gemeinwohl, besonders für die akademische Jugend, wie sie beispielhaft in den Weikersheimer Hochschulwochen - bei einem äußerst schmalen Etat - deutlich wird, ist in seinem Alter selten. Wirklich verdienstvoll aber ist seine Linie, einem christlich und ethisch tiefgegründeten, historisch abgestützten nationalen Konservatismus Reputation und Legitimation zu verleihen, um die "rechte Reichshälfte" nicht in den Narrensaum der Politik, besser der Nicht-Politik, hinwegvagabundieren zu lassen.

Das wissenschaftliche Lebenswerk Klaus Hornungs ist bemerkenswert reich, tief und breit. Unter der Vielzahl seiner Bücher sollen einige wenige besonders gewürdigt werden, weil sie nicht nur das Profil des Jubilars nachzeichnen, sondern weil sie seinen Ruf in der Wissenschaft begründen und damit auch seinen Einsatz als citoyen, als bewußter Bürger im besten Sinne des Wortes für das Gemeinwesen legitimieren.

Mit seiner Habilitationsschrift "Staat und Armee"(1975) schuf er ein bis heute gültiges Standardwerk. Er verstand es als Beitrag zur Integration der Jugend in unseren Staat, denn er hatte am eigenen Leib die Notwendigkeit von Streitkräften für die Selbstbehauptung unseres Staates erlebt und stand daher der westdeutschen Wiederbewaffnung als Beitrag zur Selbstbehauptung Westdeutschlands im Rahmen des Nordatlantikpaktes angesichts der waffenstarrenden Sowjetmacht in Mitteleuropa positiv gegenüber. Er offenbarte damit seine Zustimmung zum Militär bereits zu einer Zeit, als es als Bürgertugend galt, Abstand von den Soldaten zu halten.

Ein anderes Werk aber ist im In- und Ausland ein Verkaufsschlager ersten Ranges geworden. Denn mit dem Taschenbuch "Der faszinierende Irrtum - Karl Marx und die Folgen" (1978) widerlegte Hornung die Lebenslüge von der Wissenschaftlichkeit und Menschenfreundlichkeit des Marxismus. Dies Buch erschien zu einer Zeit, als gerade in akademischen Kreisen - trotz des Einmarschs der Warschauer Pakt-Truppen 1968 in der Tschechoslowakei, trotz der Eroberung Südvietnams durch die Vietkong, trotz der unübersehbaren Gewaltherrschaft der Kommunisten in allen Ostblockländern - eine marxistische Renaissance in Westdeutschland um sich griff. Hornungs Aufklärungswerk fand rasche Verbreitung, auch im Ausland, selbst in Japan und Korea in entsprechenden Übersetzungen.

Nachdem Klaus Hornung 1983 "Frieden ohne Utopie" und 1984 "Freiheit in unserer Zeit" sowie 1985 "Mut zur Wende" veröffentlicht hatte, alles Abrechnungen mit dem verfehlten Zeitgeist, der dem Marxismus beschönigend immer wieder eine Lebensberechtigung hatte zusprechen wollen, zog er in seinem opus magnum "Das totalitäre Zeitalter" (1993) schließlich die Bilanz des 20. Jahrhunderts. Er schrieb es nach dem Zusammenbruch des Sowjetblocks, des ersten großen totalitären Experiments in Europa. Das Ergebnis dieses roten Experiments war für ihn der unwiderlegbare Beweis von der Menschenfeindlichkeit dieser Ideologie: Verarmung, Planierung, Zerstörung von Menschen, Landschaften, Kulturen bei Vergötzung der Militärmacht, bis schließlich auch diese wegen der zusammenbrechenden Wirtschaft barst. Und doch macht sich Hornung seitdem Sorgen, ob die Völker, die Menschen, vor allem die Intellektuellen diese Lektion gelernt haben. Seine Skepsis hat ihn nicht getrogen, wie wir am wundersamen Wiederaufstieg der kommunistischen Ideologie bis hin zur Machtteilhabe der PDS erkennen können.

Als letztes seiner großen Werke sei seine historisch-politische Biographie "Scharnhorst - Soldat, Reformer, Staatsmann" (1997) genannt, mit der er vor allem der politisch-militärischen Führung im wiedervereinigten Deutschland, und nicht zuletzt den heutigen Streitkräften, den Sinn soldatischer Tugenden wieder nahebringen will.

Hornungs wissenschaftliche und geistig-politische Arbeit erschöpft sich aber nicht alleine im Verfassen von Büchern und der Führung der geistig-politischen Initiative des Weikersheimer Kreises. Er ist darüber hinaus nahezu unerschöpflich tätig im Veröffentlichen von Aufsätzen für eine breite Öffentlichkeit. Neben seinen Kolumnen und Artikeln in der JUNGEN FREIHEIT, schreibt er auch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in der Welt, im Deutschland-Magazin, im Ostpreußenblatt, in Kameraden, Criticon, Zeitfragen und in den Burschenschaftlichen Blättern. Aber auch als Redner ergreift er immer wieder auf Kongressen und Symposien im In- und Ausland das Wort

Ehrungen hat er mancherlei erfahren; so das Bundesverdienstkreuz und den Bismarckorden in Silber und Gold. Aber mehr gilt ihm die Gewinnung der Jugend. Er weiß aus jahrzehntelanger Arbeit, daß ihre Geschichtsferne das Ergebnis einer verfehlten Pädagogik bestimmter Kreise ist, die die deutsche Geschichte von Luther bis Hitler in den schwärzesten Farben malen, um ihre angeblich neue, angeblich heile Ideologie dann unterzubringen, ohne zu wissen, daß eine derart zum Selbsthaß auf das eigene Volk verbildete Jugend sich von diesem insgesamt abwendet. Deshalb gilt Hornungs Sorge der immer weiter um sich greifenden Koordinatenverschiebung in der Politik nach links. Deshalb, weil das Staatsschiff immer mehr nach links Schlagseite bekommt, will er die rechte, die konservative Seite stark machen.

Die Bewahrung unserer freiheitlichen Demokratie ist für ihn eine tagtäglich immer wieder neu zu erkämpfende Tat. Es bedeutet, den unübersehbar immer stärker werdenden Anfängen einer "gelenkten Demokratie", die Jacob Talmon trefflicherweise als "totalitäre Demokratie" charakterisierte, zu wehren. Die totalitäre Metamorphose der politischen Linken unter Einschluß der linken Liberalen und leider beträchtlicher Teile zeitgeistkonformer Christdemokraten unter dem Etikett des stalinistischen Kampfbegriffs "Antifaschismus" im "Kampf gegen Rechts"- bald 60 Jahre nach dem Untergang des italienischen Faschismus und des deutschen Nationalsozialismus - zwingt nach der Meinung des Jubilars dem politischen Konservatismus die Aufgabe der Verteidigung von Volk, Staat und Grundordnung auf.

Klaus Hornung sieht es als seine wichtigste Aufgabe an, mit allen staatserhaltenden Kräften die schleichende Umwandlung unseres Landes in einen "antifaschistischen Ideologiestaat" abzuwehren. Für ihn ist es daher die große Verpflichtung des politischen Konservatismus, die Freiheit unseres Volkes im Rahmen eines modernen, sozial verfaßten Nationalstaats in Europa zu erhalten. Diese Aufgabe erfordert zugleich aber auch die evolutionäre Überwindung des totalen Parteienstaates, da dieser alle neuen schöpferischen, aufbauenden Kräfte lähmt, ausschaltet, nicht zur Geltung kommen läßt und sie teilweise in den außerparlamentarischen Raum abdrängt. Diese Herausforderung, die auch die Abwehr des drohenden neuen Totalitarismus islamistischer Machart beinhaltet, erfordert Klugheit, Mut, intellektuelle Redlichkeit, Verbindlichkeit, vor allem aber Standfestigkeit. "Handwerksburschen" sind gefragt, nicht "Mundwerksburschen", um eine Redensart von Hornung aufzugreifen.

Klaus Hornung besitzt diese Eigenschaften. Er selbst faßte sein Bekenntnis einmal in die klassischen Worte der Spanierin Dolores Ibarruri: "No pasarán!" (Sie werden nicht durchkommen!) Er hat nicht nur das Wissen und die Vision dafür, sondern auch zahlreiche Mitstreiter, die ihn weiterhin auf diesem Weg begleiten.

 

Berichtigung zu diesem Artikel in Ausgabe 27/02 28.06.02

Zu dem in der vorigen Woche an dieser Stelle erschienenen Beitrag „Unbeirrbarer Streiter für das Gemeinwohl“ zum 75. Geburtstag von Klaus Hornung hat der Politikwissenschaftler zwei Anmerkungen:

1.) Im Herbst 1942 war ich 15 Jahre alt und konnte daher keinesfalls „Bannführer“ sein. Das war in der Regel ein hauptamtlicher Funktionärsposten für Leute mit mindestens 30 Jahren. Ich war damals „Jungzugführer“ und kritisierte in einem „Heimabend“ (nicht „politischer Unterricht“) wohl mit einer Karte, den vom „Führer“ bestimmten Vorstoß zugleich nach Stalingrad und in den Kaukasus als strategisch problematisch. Der zufällig dazugekommene Bannführer machte mich ob dieser „unverschämten Kritik am Führer“ anschließend „zur Schnecke“. Schon vorher hatte es ein „Banngerichtsverfahren“ gegeben, weil mein Vater dagegen protestiert hatte, daß im Sommer 1942 wochenlang hintereinander „Sonntagsdienst“ der HJ angesetzt war und dies entgegen den eigenen HJ-Vorschriften.

2.) Ende der fünfziger Jahre war ich nicht Leiter der Landeszentrale für Politische Bildung in Baden-Württemberg, sondern ihrer Zweigstelle in Tübingen für Südwürttemberg-Hohenzollern.


 
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