© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/02 21. Juni 2002

 
BLICK NACH OSTEN
Dalmatinischer Ausverkauf
Carl Gustaf Ströhm

Als die Götter ihr Werk krönen wollten, schufen Sie am letzten Tag aus Tränen, Sternen und dem Hauch des Meeres die Kornaten", schrieb George Bernard Shaw über diese zauberhafte Inselkette im kroatischen Teil der mittleren Adria, die 1980 zum Nationalpark erklärt wurde. Schwärmerisch war auch die sonst eher nüchterne Financial Times gestimmt, als sie jetzt ihren britischen Lesern unter anderem diese 147 urtümlichen Inseln und Klippen zum Kauf anbot.

"Stellen Sie sich vor, Sie sind Eigentümer einer privaten Insel im Herzen Europas, umgeben von klarem, sauberem Meer, überstrahlt von ständigem Sonnenschein. Hier gibt es weder Haifische noch Monsunregen noch Unwetter ... Dieser Traum könnte leicht Wirklichkeit werden: denn für den Preis einer anständigen Londoner Stadtvilla ist schon eine der 1.185 dalmatinischen Inseln in der kroatischen Adria zu haben".

Die Financial Times nennt auch den Grund: Der kroatische Staat brauche dringend Geld für die Erneuerung seiner Volkswirtschaft. Deshalb sieht die seit Anfang 2000 amtierende Zagreber Linksregierung, deren Versprechungen über die Schaffung von 200.000 neuen Arbeitsplätzen sich in Rauch aufgelöst haben, keinen anderen Ausweg als das Verscherbeln des nationalen "Familiensilbers". Viele der Eilande des dalmatinischen Archipels stehen zum Verkauf, dazu romantische alte Leuchttürme, die noch zu Zeiten errichtet wurden, da Dalmatien zur k.u.k.-Monarchie gehörte.

Nachdenklichen Kroaten stehen die Haare zu Berge angesichts der Perspektive, daß sich die großenteils unberührte Insel- und Küstenlandschaft zwischen Istrien und der Montenegro-Grenze bei Prevlaka auf einer Länge von 1.777 Kilometer in eine riesige Baustelle und dann in ein Disneyland verwandelt, wo halbwegs betuchte Westeuropäer alle Ufergrundstücke aufkaufen. In der immer noch romantischen Hafenstadt Split geht das Gerücht um, ein US-Millionär wolle den Diokletians-Palast, in den ein Großteil der Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen hineingebaut wurde, kaufen und in ein "Disneyland" verwandeln - dabei zählt der 1.700 Jahre alte Römer-Bau für die Unesco zum Weltkulturerbe.

Wenn sich Kroatien eines Tages der EU anschließt, werden auch die letzten Dämme brechen: Da nach 50 Jahren Kommunismus kaum ein Einheimischer Kapital besitzt, wird den Kroaten nichts übrig bleiben, als Kellner und Zimmermädchen für die - an der Armut der Landesbewohner gemessen - reichen Westler zu spielen.

In der Begeisterung über die leicht zu habenden Immobilien kommt es auch zu peinlichen Verwechslungen. So preist der Financial Times-Autor die Schönheit der vor Dubrovnik gelegenen Insel Daksa - und erwähnt ein Denkmal für die von "Nazis" erschossenen Tito-Partisanen. Leider stimmt da eine Kleinigkeit nicht: Erschossen wurden hier keine Partisanen, sondern zahlreiche angesehene Bürger sowie katholische Geistliche Dubrovniks. Die Partisanen waren Täter, nicht Opfer. Die Pinien, Agaven und Palmen sind mit dem Blut der Opfer des Kommunismus getränkt. Bald wird sich der internationale Jet-set hier tummeln.

Verbittert schrieb dieser Tage der kroatische Publizist Zoran Vukman, das pseudo-humanistische Engagement liberalistischer Ideologen für die Menschenrechte sei nichts anderes als die globalistische Aufforderung an die "Eingeborenen", ihr Land im Tausch für ein paar Glasperlen herzugeben. Also - besuchen Sie Dalmatien, solange es noch steht!


 
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