© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/02 21. Juni 2002

 
Oliver Kahn
Halten für Deutschland
von Peter Boßdorf

Kein Torwart hat im bisherigen Verlauf der WM weniger Treffer kassiert als er. Der Glaube der deutschen Fans, daß ihr Team mit Oliver Kahn wenigstens zwischen den Torpfosten besser besetzt ist als alle anderen, wird von Partie zu Partie unerschütterlicher. Bei Michael Ballack weiß niemand, ob aus ihm nicht doch bloß ein Andreas Möller oder Uwe Bein wird. Miroslav Klose muß seine Fähigkeiten erst noch gegen Abwehrbollwerke formstarker Gegner unter Beweis stellen. Oliver Kahn (33) jedoch hat längst alle überzeugt. Zweimal wurde er bereits "Welttorhüter des Jahres". Mit dem FC Bayern München holte er vier Meister- und zwei Pokaltitel, gewann den UEFA-Pokal und triumphierte in der Champions League. Noch in den Diensten des Karlsruher SC, seiner fußballerischen Heimat, durfte er die historische 7:0-Demütigung des FC Valencia erleben. Große Erfolge sind ihm eigentlich nur mit der Nationalmannschaft versagt geblieben. Das soll sich spätestens 2006, wenn Deutschland Gastgeber der WM ist, ändern. Vielleicht aber auch schon früher - nach den vielen Überraschungen in Korea und Japan kann niemand, der noch im Rennen ist, vorzeitig abgeschrieben werden.

Viele Triumphe der Nationalmannschaft in den vergangenen Jahrzehnten waren dem Glück zu verdanken, daß sie nahtlos immer wieder auf herausragende Torhüter bauen konnte. Oliver Kahn hat diese Tradition nach dem Abtritt von Andreas Köpke 1998 fortgesetzt. Für die Mannschaft ist er aber nicht nur wichtig, weil er ihre Konzentrationsschwächen im Anwehrverhalten durch Glanzparaden ausbügelt und mit seinem Gebaren den Glauben des Gegners an sich selbst untergräbt. Er scheint auch außerhalb des Spielfeldes erfolgreich mit für jene Ordnung zu sorgen, an der es bei vergangenen Turnieren gemangelt hat. Rudi Völler hat offenbar wiederum eine glückliche Hand bewiesen, als er dem in die Jahre gekommenen Oliver Bierhoff nicht die Erfüllung seines Wunsch versagte, der Bürde als Mannschaftskapitän enthoben zu werden, und diese Oliver Kahn überantwortete. Damit sind wenigstens die für den Erfolg notwendigen Maßstäbe wieder zurechtgerückt. Entspannte man sich in der Vergangenheit oft schon vor befürchteten Niederlagen durch die Vermutung, daß nach ihnen ja das Leben weitergehe, hat man unter Völler und Kahn wieder zu der Einstellung gefunden, daß es noch schöner ist, Siege abhaken zu können.

Die Hierarchie im Team spiegelt wohl auch die Einkommensverhältnisse wider. Mehr als Kahn, so wird vermutet, verdient keiner der deutschen Auswahlspieler. Dem FC Bayern soll er fünf Millionen Euro im Jahr wert sein. Sein Vertrag ist bis 2006 verlängert, danach könnte er ins Management der Vereins wechseln. Wer in der Werbung auf ihn setzte statt auf Verlierertypen wie Zidane oder Figo, darf sich beglückwünschen. Auch an seinem Marktwert hat Oliver Kahn in Fernost bislang erfolgreich gearbeitet.


 
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