© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/02 21. Juni 2002

 
Menschliche Späne
von Michael Wiesberg

Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Beispiele dafür haben die USA bei ihrem "Kreuzzug" gegen den international operierenden Terrorismus bereits öfter geliefert. Jetzt will der britische Journalist Jamie Doran Indizien dafür gefunden haben, daß die Amerikaner ein Massaker von Truppen der Nordallianz an Taliban-Milizen ohne einzugreifen hingenommen haben. Dieses Massaker soll im südafghanischen Kundus stattgefunden haben. Von 8.000 gefangenen Taliban, die sich im November 2001 nach erbittertem Widerstand den Truppen der Nordallianz ergeben haben, sollen nur cirka 3.000 im Shebergan-Gefängnis angekommen sein. Doran nun ist der Überzeugung, daß große Teile der Taliban niedergemetzelt wurden. Er verweist auf ein Massengrab in der Wüste bei Dash-i-Leili, wo ein Mitarbeiter Kleidungsstücke und menschliche Knochen entdeckt haben will.

Auszuschließen sind derartige Massaker in Afghanistan nicht. Die Kriegsführung dort kennt keine Konventionen. Zu welchen Grausamkeiten Afghanen fähig sind, haben sie gegen die Sowjets hinlänglich bewiesen. Entscheidend ist der Tatbestand der Duldung seitens anwesender US-Truppen. Hier ist die Beweislage allerdings sehr dürftig. Zu erinnern ist daran, daß Massaker in der Kriegspropaganda immer wieder eine Rolle spielen. Ein angebliches Massaker serbischer Polizeieinheiten (Racak) hat beispielsweise entscheidend zur Auslösung des Kosovo-Krieges beigetragen. Jetzt sind die USA in der Rolle des Angeklagten. Was von dieser Anklage wirklich zu halten ist, wird nur ein unabhängige Untersuchungskommission klären können.


 
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