© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/02 14. Juni 2002

 
Wertvolles Erbe
Ausstellung: "Das Rätsel der Kelten" in Frankfurt am Main
Werner Olles

Als 1995 auf dem Glauberg 30 Kilometer nordöstlich von Frankfurt am Main die Statue eines Keltenfüsten ausgegraben wurde, die zweieinhalbtausend Jahre fast unversehrt überstanden hatte, war von einer Sensation die Rede. Der Archäologe und Landeskonservator Fritz-Rudolf Hermann fand jedoch im Inneren zweier Fürstengräber noch drei weitere Sandsteinfiguren aus dem fünften vorchristlichen Jahrhundert. Sie bilden jetzt die Hauptattraktion in der großen Ausstellung mit dem Titel "Das Rätsel der Kelten", die derzeit in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle zu bewundern ist. Aus sechs weiteren Ländern sind nochmals vierzig ähnliche Statuen hinzugekommen, aber auch sie sind nur ein winziger Teil der insgesamt 900 Exponate aus 60 Museen, die in gut ausgeleuchteten Räumen und Vitrinen in Augenschein genommen werden können. Dennoch ist der Fürst vom Glauberg, bei dem die Experten sich nicht ganz einig sind, ob es sich um das Bildnis eines Herrschers, eine Götterfigur oder überhaupt etwas ganz anderes handelt, zweifellos das Prunkstück der Schau.

Die Ausstellungsmacher versprechen "ein noch nie da gewesenes Gesamtbild der frühesten europäischen Großplastik" und "einen umfassenden Einblick in die faszinierende Welt der keltischen Kultur". Daß diese immer noch im Dunkeln liegt, liegt daran, daß selbst ausgewiesene Fachleute relativ wenig wissen über die Kultur der Kelten, die von den Römern als "Gallier" (lateinisch für Kämpfer) bezeichnet wurden. Tatsächlich galten sie einst als das bedeutendste Volk Europas und als großartige Kunsthandwerker. Sie eroberten auf der Suche nach neuen Siedlungsgebieten weite Teile des Kontinents, bis der römische Feldherr Caesar sie vor gut 2000 Jahren im legendären "Bello Gallico" unterwarf.

Fürstengräber, sakrale Anlagen, Goldschmuck und Gefäße, filigran gearbeitete und verzierte Figuren, ornamentierte Schwertscheiden, reich bestückte Trachten und meisterhaft stilisierte Darstellungen von mythischen Mischwesen dokumentieren das spirituelle Denken der Kelten und gewähren einen beeindruckenden Einblick in den keltischen Alltag, in dem das Kultische eine wichtige Rolle spielte. So bildeten die Druiden, die als Priester, Philosophen, Gelehrte und Richter verehrt wurden, und denen man magische Kräfte zusprach, wohl den einflußreichsten Stand. Bei rituellen Handlungen ordneten die Druiden Steine in konzentrischen Kreisen an, schwere Krankheiten heilten sie unter anderem mit Misteln, die auch heute wieder in der ganzheitlichen Krebs-Therapie eingesetzt werden. Daß es bei bestimmten Ritualen zu Menschenopfern kam, ist ebenfalls wissenschaftlich erwiesen, "Barbaren", wie sie von den Römern beschimpft wurden, waren die Kelten dennoch nicht. Bereits fünfhundert Jahre vor den Römern hatten sie mitten in Europa eine blühende Hochkultur auf bemerkenswertem künstlerischen und wirtschaftlichen Niveau entwickelt, die ihre Spuren bis in unsere Zeit hinterlassen hat.

So stammt beispielsweise die bretonische Sprache in Frankreich genauso von den Kelten wie das Gälische der Schotten, Iren und Waliser oder das Räto-Romanische in der Schweiz. "Glaube, Mythos und Wirklichkeit", so der Untertitel der Ausstellung, verweist dann auch darauf, daß es sich bei den keltischen Volksstämmen und ihrer rätselhaften, mysteriösen Welt in den Kernlandschaften des heutigen Europa keineswegs um barbarische Finsterlinge handelte, die in einer dunklen Epoche lebten. Das hohe Niveau der keltischen Kultur und ihre unglaublich reiche Blütezeit wird auch sichtbar in der für damalige Verhältnisse perfekt organisierten Salzsiedelei und dem Handel mit dem "weißen Gold". Sowohl für Bad Nauheim - wo man die beeindruckenden Salinen heute noch besichtigen kann - als auch für Bad Dürckheim konnten Archäologen und Historiker eine Salzgewinnung im großen Stil nachweisen, und der Verkauf über teilweise große Entfernungen setzte ebenfalls eine ungeheure Logistik voraus.

In den keltisch sprechenden Ländern ist man sich heute längst wieder seiner keltischen Abstammung und des kulturellen Erbes zur Stärkung der eigenen Identität als Waliser und Schotte, als Bretone und Galicier bewußt. Auch die Frankfurter Ausstellung beweist, daß die Geschichte der Kelten Teil unserer Alten und Mittleren Geschichte und schon allein daher von Bedeutung für unsere eigene Identität ist.

Gleichzeitig mit der großen Keltenausstellung in der Schirn zeigt das Frankfurter Archäologische Museum bis zum 10. November die Ausstellung "Der Keltenfürst aus Frankfurt. Macht und Totenkult um 700 vor Christus".

 

Die Ausstellung "Das Rätsel der Kelten. Glaube, Mythos, Wirklichkeit" ist bis zum 1. September in der Schirn Kunsthalle zu sehen. Der Katalog kostet in der Ausstellung 24,90 Euro.


 
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