© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/02 07. Juni 2002

 
Neue Technologien: "Das Ende des Menschen"
Fukuyama ist wieder da!
Angelika Willig

Keine biopolitische Entscheidung wird heute getroffen ohne die Empfehlung mindestens einer Ethik-Kommission. Während Biologen und Mediziner als Sachverständige gelten für die technische Durchführbarkeit der geplanten Maßnahmen und auftretende Risiken, braucht man die Ethik-Räte als Garanten für moralische Unbedenklichkeit. "Kann man das?" lautet die Frage an die Naturwissenschaftler. "Darf man das?" sollen die Ethiker beantworten. Leider sind die meisten entweder christlich orientiert und daher nur für Christen verbindlich, oder sie lavieren herum und verkünden Gemeinplätze. Eine Ausnahme bildet Peter Sloterdijk - und neuerdings Francis Fukuyama. Obwohl "nur" Politologe, hat Fukuyama um die Zeit der Wende einen radikalen und viel diskutierten Standpunkt vertreten, wonach mit dem globalen Sieg des liberalen Wirtschafts- und Wertesystems die menschliche Geschichte abgeschlossen sei. Kaum daß der Golf-Krieg und die Metzeleien auf dem Balkan begannen, lachte man Fukuyama aus. Von wegen "Ende der Geschichte"! Nun meldet sich der gebürtige Japaner mit einem Buch zurück, dessen Titel wiederum monumentalen Charakter hat: "Das Ende des Menschen". Statt sich für seine frühere Fehleinschätzung zu entschuldigen, bekräftigt der Autor zunächst seine Endzeit-Hypothese. Auch der "Krieg gegen den Terror" und andere gewaltsame Konflikte änderten an der Auffassung nichts, daß die Menschheit keine neue Perspektive mehr entwickeln könne und daher in wesentlicher Hinsicht "am Ende" sei. Noch immer bedauert Fukuyama diese Stagnation nicht, sondern feiert den lecker hergerichteten Einheitsbrei als Erfüllung aller religiösen und politischen Utopien. Auch Hegel hatte bereits den preußischen Obrigkeitsstaat, in dem er lebte, als "beste aller möglichen Welten" bezeichnet. Neu ist jedoch eine Bedrohung, vor der Fukuyama jetzt schärfstens warnt. Den einzigen "unwiderlegbaren Einwand" gegen das Ende der Geschichte und das komfortable Altenheim mit Internet-Anschluß sieht der Autor in der Weiterentwicklung der Naturwissenschaften. Nur hier verstecke sich noch ein Rest von Fortschritt und stelle die zementierte Erdherrschaft des Menschen in Frage. Im Zuge der Gentechnik könne es passieren, daß eines Tages "grundsätzlich in die menschliche Natur eingegriffen" werde. Dann gäbe es nicht mehr "den" Menschen, und mit der egalitären Menschenrechtsgesinnung sei es vorbei. "Zum Schutz der menschlichen Natur" fordert Fukuyama statt der schwachen Ethik-Räte "handlungsbefugte Institutionen". Über Empfehlungen und Warnungen hinaus soll der freien Forschung im Bereich der Genetik generell ein Riegel vorgeschoben werden. "Es gibt dringenden Bedarf, jetzt schnell Regelungen zu schaffen", drängt Fukuyama. Offenbar sieht er den Übermenschen schon ante portas, um uns für Sklavendienste einzuspannen. Dann ist es mit der Spaßgesellschaft allerdings vorbei.


 
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