© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/02 07. Juni 2002

 
Kein Schlußstrich
Südtirol: Eklat um Selbstbestimmungsaktivisten
Beatrix Madl

Rund 41 Jahre nach der ersten großen Welle von Anschlägen in Südtirol erhitzen sich immer noch die Gemüter. Ein Antrag auf Begnadigung verurteilter Südtirolattentäter der sechziger Jahre ließ in der vorigen Woche sogar eine gemeinsame Sitzung der drei Landtage des historischen Tirol platzen. Die Betroffenen sind wegen verschiedener Attentate und Sprengstoffdelikte in Italien in Abwesenheit verurteilt und leben heute in Österreich und Deutschland.

Die Aktivistentochter Eva Klotz wollte mit ihrer "Union für Südtirol" (UfS) einen Beschluß über einen Begnadigungsappell an den italienischen Präsidenten erreichen. Die Trentiner Abgeordneten hatten den Antrag zunächst auf die Tagesordnung setzen lassen, um ihn dann spektakulär abzulehnen. Zudem polemisierten Abgeordnete wie Donato Seppi dagegen, der für die nationalistische Unitalia im Bozener Landtag sitzt. Er zeigte sich "fassungslos" über den Antrag und wetterte, die Attentate seien "böswillige Akte" gewesen. Zur Abstimmung der Nord- und Südtiroler über das Papier kam es erst gar nicht.

Die Trentiner wollten eine nach Landtagen getrennte Abstimmung haben. Wenn einer der drei Landtage gegen einen Beschluß stimmt, gilt er als abgelehnt. So geschah es, und die Südtiroler Volkspartei (SVP) verließ mit den Antragstellern den Sitzungssaal in Riva am Gardasee. Abgeordnete der in Bozen regierenden SVP fühlten sich gedemütigt, obwohl sie anfangs gegen den UfS-Antrag waren. SVP-Fraktionssprecher Walter Baumgartner meinte: "Wir fühlen uns als Volksgruppe verletzt und erschüttert." Trentiner Abgeordnete der Lega und der Forza Italia hätten zuvor dafür gestimmt, daß das Thema auf die Tagesordnung kommt. Die SVP hätte "den Weg der Diplomatie" vorgezogen.

Der Streit war auch über die Frage nach einer Personenliste entbrannt, die mehrere Trentiner Abgeordnete stellten. Sie forderten eine Liste der Namen der zu Begnadigenden unter Nennung der Straftaten, deretwegen sie in Italien verurteilt sind. Der Nordtiroler Landtagspräsident argumentierte dagegen, daß dies aus Datenschutzgründen nicht möglich sei. Die SVP will nun den Punkt wieder auf die Tagesordnung bringen und dann die Begnadigung einiger namentlich genannter Aktivisten beantragen, andere aber ausnehmen.

In der Nacht vom 11. auf den 12. Juni jährt sich wieder die "Feuernacht", mit der die erste große Anschlagwelle in Südtirol eingeleitet wurde. Die Attentäter hatten in den sechziger Jahren mit Anschlägen auf öffentliche Anlagen die internationale Aufmerksamkeit erreichen wollen. Das Land zwischen Brenner und Salurner Klause wurde damals noch völlig von Rom aus gelenkt. Die italienische Regierung versuchte, die Südtiroler zur Minderheit im eigenen Land zu machen, indem sie massenhaft süditalienische Arbeitslose um Bozen ansiedelte. Dagegen wehrten sich die Südtiroler Aktivisten.

Im Januar 1998 wurden bereits vier von ihnen begnadigt. Sie können seither wieder nach Südtirol reisen, ohne eine Verhaftung zu riskieren. Zehn ihrer Kameraden müssen immer noch mit hohen Gefängnisstrafen rechnen, sobald sie italienischen Boden betreten.


 
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