© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/02 07. Juni 2002

 
Moll statt Dur
Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Parteiinterne Irritationen bremsen den Optimismus
Peter Freitag

Der Parteienforscher Joachim Raschke nannte ihn einen "unpolitisch-ungelenken Charakter", Parteifreunde bemängelten unter der Hand, er sei oft eher Getriebener denn treibende Kraft, und er selbst bezeichnete sich gar als "Politiker wider Willen": Ronald B. Schill, seit gut einem halben Jahr Zweiter Bürgermeister und Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg, macht als Vorsitzender der von ihm ins Leben gerufenen Partei Rechtsstaatlicher Offensive momentan diesen wenig schmeichelhaften Einschätzungen alle Ehre.

Insbesondere das Hin und Her um die Frage, ob die Partei nun mit eigenen Listenvorschlägen zur Bundestagswahl antritt oder nicht, sorgt für Mißstimmungen an der Basis und ist für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar. Schill selbst hatte diese Frage zunächst mit der Nominierung des Union-Kanzlerkandidaten verknüpft, dann vom Abschneiden bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt abhängig gemacht. Vor dem Bundesparteitag am 11. Mai lautete das Credo des Vorstands: Wir treten nicht an. Dann regte sich Widerspruch aus den Verbänden außerhalb Hamburgs, wo die Motivation deutlich höher lag und man sich nicht mit Drogenbekämpfung am Hamburger Hauptbahnhof begnügen wollte. Da durch Verfehlen des Teilnehmerquorums nicht beschlußfähig, konnte auch der Parteitag keine Lösung finden.

Am 22. Mai meldete das Hamburger Abendblatt den vermeintlichen "Aufstand" der "Dissidenten", die die Teilnahme angeblich erzwingen wollten. Schills Stellvertreter Dirk Nockemann und Mario Mettbach bezogen deutlich Stellung dagegen. In den folgenden Tagen wechselten sich verschiedene Zeitungen damit ab, unterschiedliche Aussagen Schills zur Bundestagswahl zu publizieren und die Verwirrung komplett zu machen.

Die Informationspolitik der Partei gab noch weitere Rätsel auf. Zeitgleich mit den widersprüchlichen Meldungen wurde die Absetzung der "drei Länderkoordinatoren" Moderegger, Mückenberger und Selenz bekannt (JF 23/02), die sich für das Antreten zur Wahl stark gemacht hatten. Am 29. Mai erhielt Hans-Joachim Selenz Nachricht von seiner Absetzung durch einen Mitarbeiter dieser Zeitung. Erst nachdem am folgenden Tag diese Meldung auch in der Welt erschienen war, traf ein Fax mit der entsprechenden Mitteilung der Partei aus Hamburg ein. Seltsam an dem Vorgehen ist außerdem, daß Selenz gar nicht als Landeskoordinator fungierte, sondern von Landeskoordinator Horst Köpken von Hamburg aus zum Landesbeauftragten ernannt worden war. Zur Klärung der gegen ihn gerichteten Vorwürfe ("ein Riesenmißverständnis") habe er um ein persönliches Gespräch mit Schill gebeten, das in nächster Zeit anberaumt werde, so Selenz zur JUNGEN FREIHEIT. Er hoffe, daß trotz der Irritationen, die das Vorgehen unter den mittlerweile 839 Mitgliedern der Partei in Niedersachsen hervorgerufen habe, die Konstituierung des Landesverbands wie geplant durchgeführt werden könne.

Am 31. Mai wurde dann bekannt, daß der Hamburger Parteivorstand den gerade erst Anfang des Monats aus der Taufe gehobenen Landesverband Mecklenburg-Vorpommern für aufgelöst erklärt habe, nachdem der Vorsitzende des Kreisverbands Boitzenburg wegen eines rechtlichen Formfehlers Widerspruch eingelegt hatte. Voraussetzung für die Bildung des Landesverbands ist laut Satzung die Existenz von "mehr als drei", nicht von lediglich mindestens drei Bezirksverbänden. Augenscheinlich war dieses Problem aber in Hamburg zuvor nicht aufgefallen. Gerd Stachow, weiland stellvertretender Landesvorsitzender, erläuterte gegenüber der JF, daß jedoch die beschlossene Nominierungsliste für die Landtagswahl Bestand habe. Da sich die Partei als Bundespartei angemeldet habe, seien die Kandidaten nun mecklenburg-vorpommersche Mitglieder des Landesverbands Hamburg, so Stachow. Der ehemalige Vorstand bleibe weiterhin kommissarisch tätig.

Die aus Hamburg kommenden Signale bergen eine sich selbst erfüllende Prophezeiung in sich: So sind schon vor der Auflösung des Landesverbands die Umfragewerte in Mecklenburg-Vorpommern von zunächst 17 Prozent auf mittlerweile nur noch vier Prozent abgerutscht.

Ohne offensives Vorgehen des Vorsitzenden wird Schills Befürchtung, an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern, also immer wahrscheinlicher. Trotz markiger, politisch-unkorrekter Sprüche auf dem Bundesparteitag zögert er noch, die Konsequenz zu ziehen und mit einem entsprechenden Programm anzutreten. "Dabei mangelt es an Mobilisierungsthemen für eine rechtspopulistische Partei keineswegs", stellte der Bonner Politologe Franz Decker kürzlich in der Beilage der Wochenzeitung Das Parlament fest (Aus Politik und Zeitgeschichte 21/2002): "Auf der Liste ganz oben steht die Einwanderung ...", so Decker. Dieses Thema läßt sich allerding nur bundesweit regeln. Und Voraussetzung für einen Erfolg außerhalb Hamburgs ist laut Decker, daß "die Schill-Partei ihre programmatischen Anstregungen gewaltig verstärken" und sich "einen ideologischen Fundus" anlegen muß, wofür zur Zeit noch nichts spreche.


 
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