© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   23/02 31. Mai 2002


Werbesendungen: Prominente helfen beim Absatz - Immer? Nicht immer, aber immer öfter
Wer wird Werbe-Millionär?
Wolfgang Scheidt

Günther Jauch rettet den Regenwald, Johannes B. Kerner kommuniziert mit dem "24-Stunden-Wasser" und Stefanie Graf bittet ihren Ehemann André Agassi zum Handy-Doppel: "Was uns verbindet." Spiel, Satz und Sieg gehen an Krombacher, Bonaqua und T-Mobile. Auch die prominenten Testimonials verlassen das Werbecourt mit einem Lächeln - und brauchen für ihre Gagen zwischen fünf und 25 Millionen Euro weder Telefonjoker noch Tennisrack.

"Es muß etwas Sinnvolles sein, es muß einen Benefit geben für eine gute Sache, das Geld ist sekundär", begründet "Ex-Schlafmünze" Jauch sein Engagement für das "Krombacher Regenwald-Projekt". "Und wenn der Genuß noch mit dem Schutz der Natur verbunden werden kann, dann ist das wirklich einmal etwas Neues." Mit dem Kauf jedes Bierkastens der "Perle der Natur" wird symbolisch ein Quadratmeter des weltweit zweitgrößten Regenwaldgebiets Dzanga Sangha geschützt, insgesamt soll die Aktion bis Ende Juli zehn Millionen Quadratmeter Regenwald vor Abholzung und Waldbränden bewahren.

Auf der Grillparty, im Getränkehandel und auf dem Parkplatz posiert Jauch in fünf Werbespot-Varianten für den guten Zweck, Infomercials im Stile von "Stern TV light" verraten, wieviel Liter Pilsener wieviel Regenwald schon gerettet haben - mit Vogelgezwitscher und Urwald-Flair. "Wir wollen einen ernsthaften Beitrag zu einem ernsten Thema leisten", verrät Franz-Josef Weihrauch, Pressesprecher von Krombacher. "Günther Jauch hat hohe Sympathiewerte, ist unverbraucht. Er ist die glaubwürdige Lokomotive für eine derartige Kampagne." Der authentische "Jungle-Jauch" als zentrales Verkaufsargument USP (Unique Selling Proposition)?

"Früher wäre solche Werbung rechtlich als Irreführung der Verbraucher eingestuft worden", kritisiert Volker Nickel, Sprecher des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). "Heute streiten sich Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht darüber, wo die Unlauterkeit von Werbung beginnt und wo die Werbefreiheit höher einzustufen ist." Ab Herbst sollen in deutschen Kinos Tabak- und Alkoholwerbung nur noch erlaubt sein, wenn der Hauptfilm ab 16 Jahren freigegeben ist - Marlboro, Bacardi & Co. wären in 70 Prozent aller Filme tabu, die Branche befürchtet Milliardenverluste. Eine halbe Million Zigarettenautomaten sollen mit Zugangssperren versehen werden, geschätzte Kosten: eine halbe Milliarde Euro. Eine "Placebo-Politik" schimpft Nickel. "Die Bundesregierung gaukelt den Bürgern vor, mit Werbeverboten seien Probleme Jugendlicher heilbar."

Schon jetzt ist die Werbebranche angeschlagen, am 28. Mai wurden die offiziellen Werbeumsätze für 2001 verkündet. "Die Werbewirtschaft steckt in keiner Rezession", verrät Nickel im Vorfeld, "sondern in einer in diesem Jahr anhaltenden Flaute." So sanken im ersten Quartal 2002 die Brutto-Investitionen in den klassischen Medien um fünf Prozent auf 3,9 Milliarden Euro, bei den TV-Spots beträgt der Rückgang mit 1,7 Milliarden Euro sogar sieben Prozent. Um ja nichts zu riskieren, setzen Unternehmen fast blind auf Prominente, die sich Sympathie und Prestige teuer bezahlen lassen. Paradox: Obwohl die Werbebudgets sinken, fließen immer mehr Euros in die Taschen der Prominenz. Pepsi überwies George Lucas 2,5 Milliarden Dollar, um die "Star Wars"-Helden Luke Skywalker und Darth Vader auf seine Softdrink-Dosen drucken zu dürfen. Mach' den "Star Wars"-Test. "Soviel Zugpferde galoppieren gar nicht: 90 Prozent der TV-Werbung kommt ohne Prominente aus", beschwichtigt Nickel. "Beim Umworbenen entsteht der Eindruck eines Übergewichts von Prominenten in der Werbung, weil deren Bekanntheitsgrad so hoch ist wie berühmte Marken."

Wie beim Tennis-Dreamteam. "Stefanie Graf und André Agassi sind die perfekten Botschafter für unser Konzept", schwärmt Philipp Schindera von T-Mobile Deutschland. Wie einst in Wimbledon und Flushing Meadows sollen beide dem Unternehmen Glanz und Glamour verleihen, mit 29 gemeinsam gewonnene Grand-Slam-Titeln buhlen beide um die transatlantische Verbindung, nach dem Motto "Steffi schafft Sympathie". Ihr Engagement für den Online-Sportartikelshop "terrific.de" hat die Brühlerin dagegen beendet - nach zweijähriger Zusammenarbeit verwandelt sie jetzt den Matchball und verabschiedet sich aus dem Gesellschafterkreis. Ihr Ziel, dem Unternehmen eine "signifikante Startchance zu geben", hat sie erreicht. Doch Werbung mit Prominenten kann auch schief gehen. Ein "Vampir-Effekt" tritt ein, wenn die Stars Werbung in eigener Sache betreiben - und nicht für das beworbene Produkt. Das Werbebudget einer Firma subventioniert dann den Bekanntheitsgrad des Prominenten. Was, wenn nicht Deutschlands meistverkaufte Biermarke von Jauchs Werbe-Appeal profitiert, sondern "Stern TV" und "Wer wird Millionär?"

Gefährlicher ist noch ein abrupter Imageverlust des Prominenten. Zum Beispiel wegen Drogenkonsums wie bei Christoph Daum, der schnellen Fußes zu einem Fußballclub in die Türkei wechselte und für deutsche Fernsehzuschauer als Werbeträger denkbar schlecht nutzbar war. Oder wenn Papa Graf Probleme mit der Steuer hat und sogar hinter schwedische Gardinen wanderte - Opel löste daraufhin den Vertrag mit Steffi Graf, erinnert sich Nickel. "Doch Prominente sind nur für wenige werbende Firmen wegen der immensen Kosten erschwinglich." Weitere Werbeperlen wie Manfred Krug als rappender Telekom-Clown, Markus Schenkenberg als strippender Hausmann und Pelé als potenter Viagra-Botschafter bleiben uns wohl erspart.

Doch sind die prominenten Litfaßsäulen ihr Geld überhaupt wert? In einer aktuellen repräsentativen Studie der ARD-Werbung Sales & Services wurden 2.013 TV-Zuschauer zum Werbeimage befragt. 80 Prozent der Befragten bejahen Werbesendungen als wichtigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Faktor, der Arbeitsplätze sichert. Für drei Viertel der Zuschauer ist Werbung eine Existenzgrundlage der Medien, genauso viele akzeptieren TV-Spots als modernen Alltag.

Immerhin die Hälfte der Zuschauer hält sich durch Werbung "up to date" und findet sie hilfreich. Während Werbung zwischen zwei Sendungen von 76 Prozent der Zuschauer toleriert wird, ärgern sich 90 Prozent über störende Unterbrecherwerbung. Selbst Jauchs jovialer Charme läuft leer, wenn Lieblingsserie oder TV-Krimi unterbrochen werden, Zapping ist die Folge. Wenn Werbung gut gemacht ist, haben 75 Prozent nichts dagegen, immerhin ein Drittel aller Befragten steht mit der TV-Werbung generell auf Kriegsfuß - Steffi hin, André her.


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