© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   23/02 31. Mai 2002


Leserbriefe

Zu: "Der Fall Karsli'" von Dieter Stein, JF 21/02:

Ex-Vorzeigeobjekt

Man muß Herrn Karslis Ansichten nicht teilen, aber wenn er mit solchen Meinungen tatsächlich bereits zum Antisemiten und Faschisten taugen sollte, dann hätte das den Grünen auch schon früher auffallen können, als er noch Mitglied der Grünen in NRW war. Doch ganz im Gegenteil war er damals ein Vorzeigeobjekt als "Beweis" für die "gelungene Integration von Ausländern", und seine Ansichten paßten hervorragend in die gepflegte antisemitische Stimmung der Linken. Erst jetzt, mit seinem Wechsel zur FDP, mutiert er also zum Nazi. Wenn der "Fall Karsli" somit irgendetwas Skandalöses offenbart, dann ist es zum einen die Neigung der Linken, Mißstände erst dann kritisch wahrzunehmen, wenn sie sich außerhalb des linken Spektrums abspielen, zum anderen generell die Verlogenheit und Doppelmoral der Linken bezüglich des Antisemitismus.

Axel Kracke, Hamburg

 

Schädliche Selbstzensur

Dieser Tage wird die FDP in vielen Beiträgen von Leitartiklern aufgefordert, sich von Möllemann zu distanzieren. Warum eigentlich? Weil er die Wahrheit sagte? Weil er ein Tabu brach? Tatsache ist, daß Friedman niemanden mit Glacéhandschuhen anfaßt. Er ist alles andere als ein Sympathieträger. Es verhält sich vielmehr genauso wie von Möllemann beschrieben: Michel Friedman ist für viele, die bisher keine negative Meinung über Juden hatten, ein Grund, ihre Auffassung - zumindest was die Funktionärsriege angeht - zu revidieren. Wenn das ausreicht, jemanden als Antisemiten abzuqualifizieren, dann ist ein Großteil der deutschen Bevölkerung antisemitisch. Ich kenne jedenfalls niemanden, der für Friedmans kaltschnäuzige, herablassende Art auch nur das Geringste übrig hat. Wenn die veröffentlichte Meinung sich fortwährend Selbstzensur auferlegt, muß sie das mit sich selbst ausmachen. Das macht aus schwarz aber noch lange nicht weiß. Sogar Parteifreund Roland Koch sagte bereits vor längerer Zeit ganz richtig: "Friedman ist immer in Gefahr, mehr zusätzliche Konflikte zu schüren, als er welche eindämmt."

Was die Aufnahme des Ex-Grünen Karsli angeht, sollte sich die FDP vorsehen. Wenn das Beispiel Schule macht, daß parteifremde Interessengruppen über den Eintritt von neuen Mitgliedern bestimmen, könnten die Aufnahmeformulare aller Parteien bald ein zusätzliches Kästchen mit folgender Bezeichnung haben: "Zustimmung des Zentralrats der Juden erteilt?" 

Alexander Scheid, Hofheim am Taunus

 

Absurdistan

Die ganze "Affäre Karsli/Möllemann" grenzt langsam an Absurdistan. Warum soll Karslis Vorwurf, Israel wende Nazi-Methoden an, gleich Antisemitismus sein? Der Vergleich von Herrn Karsli ist dumm und sachlich unrichtig, vielleicht steckt auch Antiisraelismus darin, aber jede Israel-Kritik in die antisemitische Ecke zu bugsieren, muß schon als böswillig und perfide bezeichnet werden. Und Möllemanns Äußerungen über Friedman? Die deutsche Öffentlichkeit kennt Friedman aus vielen Fernsehsendungen, Interviews und Stellungnahmen, in denen es von volkspädagogischen Belehrungen und Besserwisserei nur so hagelte. Ob neuer Antisemitismus in Deutschland mit seinem Verhalten oder dem anderer jüdischer Zentralratsmitglieder in Zusammenhang steht, könnte interessanterweise ja einmal empirisch überprüft werden. Dann wissen wir es genau. Diese Aussage aber gleich als Volksverhetzung abzustempeln, entspricht wieder einmal der nachkriegsdeutschen Tradition der Political Correctness. Fazit der Debatte: Sind denn jetzt alle wahnsinnig geworden?

Markus Seebass, Berlin

 

Karslis Kronzeuge

Wie kurz doch manchmal das Gedächtnis von Medienvertretern und - leider - auch von Politikern ist. Da schwingen sie vehement die Antisemitismus-Keule über dem neuen FDP-Mitglied Jamal Karsli, der es gewagt hatte, Israel der "Nazi-Methoden" gegenüber den Palästinensern zu zeihen, dann aber pflichtschuldigst seinen "emotionalen Ausrutscher" bedauerte. Dabei hatte noch vor kurzem der aufmerksame Zeitungsleser aus deutschen Gazetten ( JF 16/02) folgendes erfahren können: Die israelische Zeitung Ma'ariv habe von einem israelischen Offizier berichtet, der seine Soldaten ermutige, die Methoden der SS bei der Niederschlagung des jüdischen Aufstandes im Warschauer Ghetto im April 1943 zu studieren. Wenn ihre Aufgabe darin bestehe, ein Flüchtlingslager oder ein palästinensisches Viertel zu durchkämmen, müsse vor derartigen Einsätzen eine Analyse vergangener Militäraktionen dieser Art stehen. Dabei dürfe man auch nicht vor einer Analyse des Vorgehens der deutschen Armee im Warschauer Ghetto zurückschrecken, so der Offizier. 

Josef Müller, Calw

 

Zu: "Die Falken triumphieren" von Michael Wiesberg, JF 21/02

Erdöl und Menschenleben

Es hat auf beiden Seiten Haß und Zerstörung gegeben. Der erste wirkliche und meiner Meinung nach erfolgversprechendste Träger eines Friedensprozesses war Shimon Perez, der tragischerweise einem Attentat zum Opfer fiel.

Was vollkommen unverständlich bleibt, ist die Tatsache, das weder namhafte Politiker verschiedenster Länder noch der Weltsicherheitsrat selbst eingreift, um Verhandlungen oder wenigstens Waffenruhe zu erzwingen.

Nein, im Gegenteil! Es wird seelenruhig zugesehen, wie israelische Truppen in das Flüchtlingslager Dschenin einrücken und dort laut Augenzeugen Massaker unvorstellbaren Ausmaßes anrichten. Zwar bestreitet Israels Führung derlei Gerüchte, doch ist es nicht merkwürdig, daß einer gewählten Kommission die Einreise verwehrt wurde, nachdem diese ablehnte, sich nur ausgesuchte Zeugen der israelischen Regierung anzuhören.

Dies spricht nicht gerade für Schuldlosigkeit, wohl aber für die offenbare Unfähigkeit der Uno, sich Zutritt zu verschaffen, um sich ein Bild der tatsächlichen Lage zu machen!

Ich bin zwar nur Laie, aber ich vermute, daß so etwas von Saddam Hussein nicht geduldet worden wäre - aber da ging es ja auch um Wichtigeres als Menschenleben: Erdöl zum Beispiel!

Rainer Kopps, per E-Post

 

Unberechtige Verdächtigungen

Kritik an der Politik Israels kann als Vorwand für "Antisemtismus" verwendet werden, muß es aber nicht. So auch im Falle von Jamal Karsli, der nicht der einzige ist, der sich dem Totschlagargument des "Antisemitismus" zu Unrecht erwehren muß. Man sieht, daß es der Voraussetzung deutschstämmig und rechtsextrem zu sein in der BRD nicht bedarf, um in diesen Generalverdacht genommen zu werden, von Leuten, die dem Zionismus zur Seite stehen. Sogar Juden selbst werden dann nach Belieben mit diesem unsinnigen Anwurf bedacht, sollten sie sich gegen den zionistischen Staat ausgesprochen haben. Selbst harmlose Kritiker israelischer Politik wie Möllemann und Karsli werden zu Unrecht unter diesen Verdacht gestellt.

Detlef Nolde, Berlin

 

 

Zu "Landwirte sind Lebenswirte" von Franz Alt, JF 21/02

Vergessener Mangel

Ebenso wie im Fall der Energieversorgung ("Energie aus der Sonne kostet nichts") hat uns Franz Alt mit seinem Plädoyer für den Ökolandbau wieder einen ideologisch motivierten und daher einseitigen Wust von Halbwahrheiten und unbelegten Behauptungen serviert. Wieso, wenn unsere Nahrungsmittel so schlecht sein sollen, werden die Menschen immer älter? Ist vergessen, daß vor der Einführung der minerali­schen Düngung um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Nahrungsmittelproduktion nicht mehr mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten konnte und eine Ursache für die Auswanderung vieler Menschen war? Wir könnten uns allerdings aus ökologischem Landbau ernähren (und mit erneuerbarer Energie auskommen), wenn die Bevölkerungs­dichte nicht so hoch wäre. Gerade in diesem Punkt widersprechen sich aber die Grünen, für die Franz Alt eintritt: Sie behaupten zwar, eine Umweltpartei zu sein, reden aber dennoch einer ständigen Ausweitung der Zuwanderung das Wort.

Prof. Dr. Karl-Heinz von Wangenheim, Jülich

 

Träumer oder Realist?

So sehr ich der Umstellung der Landwirtschaft auf "Öko-Landwirtschaft" zustimmen kann, so habe ich bei den Phantastereien von Herrn Alt doch Magenverstimmungen. Wo ich in diesen Tagen den Blick auch hinwende, ist von Öko-Landbau keine Spur zu entdecken. Ganze Landstriche leuchten in strahlendem Gelb: alles Raps, kaum Getreide, keine Kartoffeln. Was soll daran sinnvoll oder gar ökologisch sein? Im Gegenteil, es ist wohl eher das Ergebnis einer völlig verfehlten "Förderpolitik", die vorrangig von Brüssel gesteuert wird. Wenn die Öko-Landwirtschaft auf breiter Front siegen soll, dann sind dazu Rahmenbedingungen notwendig, die eine selbständige Landesregierung festzulegen hätte. Die wichtigste ­- zumindest in der Umstellungsphase, die ja bis ca. 2030 dauern soll - ist das Erheben von Schutzzöllen auf ausländische Billigprodukte, die sonst den Markt überschwemmen würden und die nicht nur die Öko-, sondern die gesamte deutsche Landwirtschaft totmachen würden.

Nun stellen Sie sich das Zeter und Mordio vor, das sich erheben würde, wenn einer diese Forderung erhöbe im Zeitalter ungebremster Globalisierung: Anti-Europäer, Nationalist, Gegner des freien Welthandels, Extremist oder gar Nazi wären die Schimpfworte für jenen. Aber es reicht eben nicht, wie Herr Alt denkt, durch eine Verwissenschaftlichung das Ziel zu erreichen. Politische Weichenstellungen wären nötig. Traut er sich nicht, diese Forderung zu erheben, oder hat er sie nur übersehen?

Hans Jakob, per E-Post

 

 

Zu: "Sorgenvolle Blicke" von Alexander Barti, JF 21/02

Freie Meinungen nötig

Meinung ist eine Äußerung zur geistigen Auseinandersetzung. "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern...", so steht es in Artikel fünf - "eine Zensur findet nicht statt" im gleichen Artikel.

Aber man muß zwischen Meinungsfreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit unterscheiden. Jeder hat zwar das Recht, eine Meinung zu haben, aber darf er sie auch äußern? Die Herren Spiegel, Friedman und Naumann fanden es "politisch abenteuerlich", waren "irritiert und verwundert", daß Bundeskanzler Gerhard Schröder dem Dichter Martin Walser Gelegenheit gab, in einer Diskussion seine Meinung zu äußern. Schon wieder! Hat der doch schon 1998 in der Frankfurter Paulskirche seine Meinung geäußert. Und was für eine Meinung, dieser "geistige Brandstifter", wie Ignaz Bubis damals empört aufschrie.

Der bayerische Dichter Ludwig Thoma hat das Problem der Meinungsäußerungsfreiheit in seinen "Filserbriefen" überzeugend gelöst. Er läßt den Abgeordneten Jozef Filser an seinen Pfarrer schreiben: "Hochwiern Her Bfahrer, ich bidde schreim sie mir meine Meinung". Also, Herr Bundeskanzler, immer erst beim Zentralrat anfragen.

Josef August Neuberger, Höhenkirchen

 

Des Kanzlers Sternstunde

Es hat mich gefreut, richtig vermutet zu haben, daß die JUNGE FREIHEIT sich das Gespräch angehört und kommentiert hat. Den vollständigen Text werden wir wohl in Heftform von der SPD bekommen. Wenn nicht, dürfte das auch ein Zeichen sein, daß des Kanzlers Stern in der SPD sinkt, der er durch seinen Appell an das Nationalgefühl 1998 so viel Stimmen eingebracht hat und sogar Hans-Dietrich Sander ("Der nationale Imperativ") zur Wahlempfehlung bewog.

Georg K. Schmelzle, Norden

 

 

Zu "Der Bußprediger", JF 20/02:

Wertvolle Hinweise

Man ist natürlich dankbar für jeden sachlichen Hinweis auf Furchen oder Tiefen im Antlitz unserer Großen, die sich sonst einer allgemeinen strahlenden Beleuchtung erfreuen können. Weizsäckers Erinnerungen (nicht die des Vaters) werden gerade als Taschenbuch-Ausgabe angezeigt. So eignen sie sich noch besser als Schullektüre. Textstellen beim Vater dürften dagegen eher zurückhaltender behandelt werden. Man lese nur die Ausführungen zum "Heldentod" des Sohnes. Das Kriegsgrab braucht vom Volksbund nicht mitbetreut werden, da man den Sohn ins Familiengrab umbetten ließ. Gern wüßte ich, welchen Wortlaut die Ansprachen des Pfarrers und Bruders hatten.

Aber das war ja Anfang des Krieges. Später schossen die Offiziere des Adels-Regimentes in ihrem Kasino auf das Führerbild. Im Kampf standen sie nach wie vor ihren Mann. Die Umstände, die den Frontoffizier von Weizsäcker zu seiner Familie an den Bodensee brachten, sind wohl mit Dienstpapieren kaum zu belegen. Das ist ja nun lange Vergangenheit, es sei denn, daß ein begnadeter, zeitgerechter Schriftsteller wie etwa Grass den "Stoff" aufgreift und zurückspult.

Josef Schülzle, Burladingen

 

Zum Wohle des Volkes

Wir hatten und haben ein heiteres Spektrum an Bundespräsidenten. Einer soll Baupläne für KZ-Baracken genehmigt haben und riß das Volk mit seinen Reden zu Lachstürmen hin. Einer postulierte, daß die eben gegen die kommunistische Gefahr im Aufbau begriffene Bundeswehr sich in Frage stellen lassen müsse. Einer, wohl in Erkenntnis der konstitutionellen Ohnmacht seines Amtes, profilierte sich als Wandervogel. Einer bezeichnete die bedingungslose Kapitulation der Armee, in der er selbst in einem Feudalregiment diente, als Befreiung und die Vertreibung mit Mord und Totschlag an Landsleuten unter Preisgabe von Tausenden Quadratkilometern Staatsgebiet als zwangsweise Wanderung. Dazu unterstellte er jedem Deutschen außer seinem in höchsten Staatsämtern tätigen Vater Kenntnis der Judenvernichtung. Einer befand als Verfassungsrichter die Einvernahme des von einer Besatzungsmacht enteigneten Privatbesitzes der Bürger durch den Staat für rechtmäßig.

Einer, knapp dem Verdacht der privaten Vorteilnahme im Amt entronnen, bekundete, daß er den von ihm repräsentierten Staat nicht liebe und auch nicht stolz auf ihn sei, da man nur stolz auf das sein könne, was man selbst vollbracht habe. Nichtsdestoweniger entschuldigte er sich und seine ungefragten Landsleute unentwegt im staunenden Ausland für Dinge, die weder er noch ein einziger Deutscher der letzten zwei Generationen getan haben. Und alles zum Wohle des deutschen Volkes, versteht sich.

Eberhard Koenig, Baiern

 

 

Zu: "Ende der Unschuld" von Bernd-Thomas Ramb, JF 19/02

Fernab der Realität

Es war wieder mal interessant zu beobachten, wie sich die allgemeine Öffentlichkeit, die Presse und die Politik zu dem Thema äußerte: Was kommt nach dem Attentat und welche Maßnahmen ergreifen wir nun?

Mal abgesehen von den oberflächlichen, scheinheiligen Betroffenheitsbekundungen der etablierten Politiker kamen mir die vorgeschlagenen Vorbeugungsmaßnahmen so vor, wie ich das erwartet habe, nämlich fernab jeglicher Realität und Objektivität. Da wird von Verbot der Gewaltvideos und Spiele bzw. Gewaltfilme in der Glotze gesprochen, eine Verschärfung des Waffengesetzes oder eine starke Einschränkung der Schützenvereine vorgeschlagen. Ich sehe, speziell in diesen Fall, eine Art von struktureller Gewalt in dem Sinne, daß es in Thüringen ja leider so ist, daß, wenn es ein Schüler nicht schafft, sein Abitur abzulegen, weder einen Haupt-oder einen Realschulabschluß besitzt, noch das er darauf hingewiesen wird sein Fachabitur im nächstgelegenen Bundesland nachzuholen.

Das bedeutet, der Schüler fällt erst einmal in ein tiefes Loch. Das er dann eine lebende Zeitbombe darstellt, die droht zu explodieren, zudem noch in einem der neuen Bundesländer, wo es zur Zeit nicht gerade sehr rosig aussieht, braucht einem kein Psychologe zu sagen.

Hauke S. Ericksen, Ganderkesee


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