© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/02 31. Mai 2002


Meldungen

Opfer des Völkerrechts

MÜNCHEN. Die Rechtmäßigkeit von Geiselerschießungen, sogenannten Repressaltötungen, basierte während des Zweiten Weltkriegs allein auf einer Rechtslücke. Steffen Prauser, Stipendiat am Europäischen Hochschulinstitut Florenz, der über die deutsche Besatzungszeit in Italien arbeitet, exemplifiziert diese These anhand der Vergeltungsmaßnahmen in den Ardeatinischen Höhlen im März 1944 und der juristischen Aufarbeitung dieser Erschießungen (Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 2/02). Die Tatsache, daß ein Beteiligter, der SS-Offizier Erich Priebke, noch 1996/98 von einem italienischen Gericht verurteilt wurde, sei gerade dieser Rechtslücke zu verdanken, die jahrzehntelang eher großzügig, im Fall Priebkes aber eng ausgelegt worden sei. Die Völkerrechtslehre sei in dieser Frage nämlich bis 1939 keineswegs eindeutig, sondern "schwammig und widersprüchlich" gewesen. Darum sei es nicht zwingend gewesen, daß auch die Alliierten Vergeltungsquoten in der Höhe von eins zu 200 zumindest angedroht hätten und die Repressaltötung unter genauen Voraussetzungen für legitim hielten. Deutscherseits hätten Völkerrechtler und Militärjuristen die fehlende Eindeutigkeit eher verschleiert, um so die Vergeltungspraxis der Wehrmacht als gängigen Rechtsbrauch erscheinen zu lassen. Erst seit 1949 habe die Genfer Konvention hier Klarheit geschaffen: Reperessaltötung und Geiselnahme von Zivilisten werden seitdem vom Völkerrecht geächtet. Diese Klarstellung habe fünfzig Jahre später Italiens Militärrichter ermutigt, im nachhinein strengere Maßstäbe an die Beurteilung der noch lebenden deutschen Beteiligten an Geiselerschießungen anzulegen.

 

Schlesiens schneller Mentalitätswandel

WÜRZBURG. Für die Schlesier habe die Einverleibung ihrer Provinz in den preußischen Staat so tiefgreifende Folgen gehabt, daß man von einem Mentalitätswandel sprechen könne. Dies führt Ulrich Schmilewski in seinem nun veröffentlichten Vortrag über "Die Eroberung Schlesiens durch Friedrich den Großen" aus, den er auf dem 53. Deutschen Genealogentag im September 2001 in Potsdam gehalten hat (Ostdeutsche Familienkunde, Heft 1/02). Als Untertanen der Kaiserin Maria-Theresia und ihrer etwas "wurschtigen" Bürokratie hätten die Schlesier nach 1763 an preußische Staatsdisziplin und strengere Lebensformen erst gewöhnt werden müssen. Heiteres österreichisches Barock sei durch den ernsten preußischen Klassizismus abgelöst worden, wie jedermann noch heute an der bekanntesten Schöpfung des Schlesiers Carl Gotthard Langhans, dem Brandenburger Tor, ablesen könne. Nicht zuletzt dank des persönlichen Engagements Friedrich des Großen sei dieser Mentalitätswandel relativ schnell erfolgt, wenn sich auch noch bis ins 20. Jahrhundert hinein eine österreichfreundliche Unterströmung in Schlesien bemerkbar gemacht habe.


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