© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/02 31. Mai 2002


Neue Technologien: Patentierung von Lebewesen
US-Patent 6.211.429
Angelika Willig

Das Patentrecht ist eine äußerst komplizierte Materie. Doch sein Prinzip leuchtet wohl jedem ein: Was ich erfunden habe, darf ein anderer nicht einfach nachmachen. Allerdings geht es heute nicht so sehr um den ewigen Bastler mit seiner beheizbaren Hundehütte, sondern um große Unternehmen, die Millionen in die Forschung investieren und davon auch profitieren wollen. Diese Verknüpfung von Erfindungsgeist und materiellem Interesse mag ärgerlich sein, ist aber ein Kennzeichen moderner Technologie. Der Forscher kann noch so spartanisch leben, für seine Mannschaft und seine Labors braucht er immer mehr Geld.

Bei Hundehütten, auch im großen Maßstab, wird es nur die Konkurrenz stören, wenn ein praktisches Modell für eine bestimmte Firma schon patentiert ist. Bei einer neuen Hunderasse sieht es anders aus. Ein konventioneller Züchter kauft Tiere, und seine Leistung besteht darin, die richtigen Paare zusammenzubringen. Den Nachwuchs darf er dann verkaufen. Ein Fall fürs Patentamt liegt hier nicht vor. Der Gentechniker hingegen bastelt sich eine DNA-Sequenz nach eigenen Wünschen zusammen und pflanzt die manipulierte Keimzelle in ein Muttertier. Die Nachkommen gehören ihm - doch wenn er klug ist und sein Patent angemeldet hat, dann gehören ihm auch alle Hunde, die jemals nach der gleichen Sequenz "hergestellt" werden. Da keiner so viele Hunde braucht, fallen ihm entsprechende Zahlungen zu.

Der Schäferhund ist keine Erfindung des Menschen, sondern trotz züchterischer Auswahl ein Produkt der Evolution. Was Natur ist, kann der Mensch nur entdecken, nicht erfinden. Doch die "Krebsmaus" ist wie andere transgene Pflanzen und Tiere als Patent bereits anerkannt. Angesichts der Genforschung ist die Unterscheidung zwischen Natur und Technik nicht mehr haltbar. Die Technik ahmt nicht die Natur nach oder ersetzt sie, sondern entwickelt sie weiter. Wir dürfen nun Tiere und Pflanzen "erfinden" - und werden dafür auch noch bezahlt.

Darf man auch Menschen erfinden? Offenbar ja, denn bereits vor einem Jahr hat die US-amerikanische Universität Missouri bei der zuständigen staatlichen Stelle das Patent für eine bestimmte Methode des Klonens von Säugetieren erworben und dabei den Menschen ausdrücklich per Vertrag mit eingeschlossen. Eine Bürgerrechtsorganisation hat den Fall erst jetzt an die Öffentlichkeit gebracht. Nun hagelt es Ausreden, etwa daß man das Patent nur erworben habe, damit andere keinen Mißbrauch damit treiben können. Dabei ist der Rechtsanspruch bereits an andere Firmen weiter verkauft worden. Politikern dämmert es immerhin, daß hier eine neue gesetzliche Regelung fällig ist. Sonst ist unversehens die Sklaverei wieder eingeführt. Warum nicht, fragt man sich, die Griechen hatten damit auch keine Probleme, und die waren ein kultiviertes Volk.


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