© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/02 31. Mai 2002

 
Frisch gepresst

Unsichtbare Front. Das Standardwerk über die Geheimdienste des Zweiten Weltkrieges von Wilhelm Ritter von Schramm wurde bereits 1974 bei Langen Müller verlegt. Ritter von Schramm konnte damals in seinem Werk noch aus vielen "Primärquellen" und exklusiven Informationen seiner eigenen Erfahrung als Kriegstagebuchführer an der Ostfront beim Oberbefehlshaber Don, Erich von Manstein, schöpfen und Personen aus seiner Ausbildungstätigkeit im Feindnachrichtendienst zu Rate ziehen. Darin wird deutlich, inwieweit die deutschen Geheimdienste zu Beginn der "Blitzkriege" auch die "unsichtbare Front" dominierten und nach und nach gegenüber den Alliierten die immer wichtiger werdende Bastion des Nachrichtenwesens verloren, nicht nur im Bereich der technischen Voraussetzungen, sondern auch hinsichtlich der Information über die strategischen Absichten des Feindes. Durch seinen Tod im Jahre 1984 blieb dem Autor jedoch ein Blick in die Karten der Alliierten Geheimdienste verborgen. Dieses versucht Hans Büchler, Mitglied der "International Intelligence Studies Group" in der sechsten Auflage zu korrigieren, ohne allerdings, entgegen der Ankündigung im Buchuntertitel, die größtenteils immer noch verschlossenen Dokumente der Briten und Amerikaner ergänzend berücksichtigen zu können (Geheimdienste im Zweiten Weltkrieg. Herbig, München 2002, 480 Seiten, 39,90 Euro).

Trotz, Undank oder Ostalgie. Vielen Bundesbürgern in den alten Ländern dürfte das Wahlverhalten vieler ehemaliger DDR-Bürger ein Rätsel aufgeben: Mit ihrem Votum für die PDS geben sie der Partei ihre Unterstützung, die für die Situation in den neuen Ländern als SED-Nachfolgepartei eigentlich die Verantwortung trägt. Das bankrotte Wirtschaftssystem, die katastrophale Infrastruktur, aber auch der Werteverlust sind die Altlasten der ehemals als "neuntgrößte Wirtschaftsmacht der Welt" hochgelobten sozialistischen DDR. Vom System der Unterdrückung, des Unrechts und der Unfreiheit ganz zu schweigen. Die Journalistin Rita Kuczynski geht dieser Frage nach, indem sie zwanzig willkürlich ausgewählte PDS-Wähler aus dem Osten Berlins nach ihren Beweggründen fragt, diese Partei zu wählen. Dabei stellt sie zu erwartende Ergebnisse heraus, wie die Identifizierung der mißlichen Situation in den neuen Ländern als Verschulden der Nachwendepolitik, und verblüffende, wie die Suche nach Heimat und Identität, die man im vereinten Deutschland nicht gefunden zu haben glaubt (Die Rache der Ostdeutschen. Parthas Verlag, Berlin 2002, 144 Seiten, 14,50 Euro).

Tigers Weltreise. Der Kinderbuch-Autor Janosch antwortet auf die Pisa-Studie: Mit einer Weltreise, die seine Helden, der kleine Tiger und der kleine Bär, mit dem Finger auf dem Atlas von Maja Papaya unternehmen. Eigentlich sollte es nur ins Geburtsland des kleinen Tigers, nach Indien, gehen, doch wo man schon einmal unterwegs ist, berührt der Flug der Phantasie China und Australien und führt über Amerika nach Haus. Ein ideales Geschenk nicht nur für die engere Janosch-Zielgruppe zwischen sechs und acht Jahren, sondern für all die, die selbst beim Abitur nicht wußten, wo Tibet liegt oder wie die Hauptstadt von Australien heißt. Leider ist der im Atlas-Format vorgelegte Band etwas textlastig, so daß sich Tiger, Bär und ihr Anhang, der unvergleichliche Tiefdenker Günter Kastenfrosch und der glückliche Maulwurf, etwas rar machen. Dafür legt Janosch seinen beiden Protagonisten politische Bekenntnisse in den Mund, die an Deutlichkeit kaum zu wünschen übrig lassen. Die USA: Das Land der dicken Autos und der unendlichen langen Straßen - mehr ist nicht zu vermelden. Die Abholzung der Regenwälder läßt für den kleinen Bären nur das Urteil zu: Der Mensch ist eine Sau - "er sei froh, daß er ein Bär ist" (Janosch's Großer Kleiner Tiger-Atlas. Bassermann Verlag, München 2002, 39 Seiten, 7 Euro).


 
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