© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/02 31. Mai 2002

 
Katz-und-Maus-Spiel
Impressionen von der Anti-Bush-Demonstration in Berlin
Alexander Barti

Die Stimmung war prächtig auf der Straße Unter den Linden: strahlender Sonnenschein, weit und breit kein Auto, Musik, fröhliche, tanzende, trommelnde Menschen-massen­. Nur drei Gruppen hatten an den friedlichen Protesten aus Anlaß des Besuches von US-Präsidenten Bush keine Freunde an dem frühsommerlichen Ringelpietz: Die Polizei, die Medien-Meute und ein etwa hundertköpfiger Schwarzer Block, die Elite-Schlägertruppe der Anarchos. Man konnte Verständnis für sie haben: Die Ordnungshüter schwitzten in ihrer Kampfmontur, die Anarchos in ihren schwarzen Vermummungen ebenso und die Berichterstatter wollten endlich ihre Krawall-Bilder im Kasten haben.

Bis zum Sonnenuntergang ging alles gut; aber dann begannen die Rangeleien, die Reporter konnten endlich - sichtlich erleichtert - von brennenden US-Fahnen berichten, und der Schwarze Block konnte - ebenfalls erleichtert - einen "Durchbruchversuch" in Richtung hermetisch abgeriegeltem Hotel Adlon vermelden. Der richtige Ärger begann indes erst gegen 23.20 Uhr, als die Polizei (Motto: "Wir wollen auch unseren Spaß") mit der Räumung des Lustgartens begann, Wasserwerfer inklusive. Die empörte Menge wurde in Richtung Alexanderplatz getrieben. Was in den Fernsehberichten nach bürgerkriegsähnlichen Zuständen aussah, war in Wirklichkeit ein merkwürdiges Katz-und-Maus-Spiel: Zwischen den meisten, die als Zuschauer, ebenso wie die Reporter, spannende Hetzjagden sehen wollten, sammelten sich kleine Gruppen von gewaltbereiten Chaoten, die von kampferprobten Greifkommandos der Polizei verfolgt und aufgegriffen wurden. Von einer eindeutigen Front konnte keine Rede sein. Natürlich wurden nicht alle ergriffen, aber hier und da schnappten sich die Polizisten ein Großmaul aus der Gruppe und führten ihn, im Blitzlichtgewitter der Fotografen, ab.

Beim Alexanderplatz angelangt, klirrten auch endlich die ersten Fensterscheiben im Kaufhof - den "Kapitalisten" hatte man's mal wieder so richtig gezeigt. Wie lächerlich unbedeutend und alles andere als revolutionär die Anti-Bush-Randale gewesen ist, konnte der aufmerksame Beobachter sehen, als er den engeren Bezirk des Geschehes verlassen hatte: in vielen Seitenstraßen standen weitere Mannschaftswagen mit Tausenden von gelangweilten Beamten, bereit zum Einsatz gegen den Spaß-Mob. Denn die Transparente und Plakate waren zwar oft witzig und originell, aber von einer tatsächlichen politischen Auseinandersetzung konnte man nichts erkennen. "Eine andere Welt ist möglich" lautet ein sympathisches Schlagwort des Anti-Globalisierungsbündnisses Attac - richtig, aber mit so einem Klamauk kommt ihr nie ans Ziel.


 
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