© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/02 31. Mai 2002

 
Sammlerleidenschaft
Ausstellung "Brückenschlag" in der Staatsbibliothek Berlin
Ekkehard Schultz

Seit über 30 Jahren ist der in Bitburg lebende polnische Sammler Tomasz Niewodniczanski auf der Suche nach Objekten, die von der Geschichte seines Herkunftslandes berichten. Einen guten Einblick in die Vielzahl dieser Polonica kann sich der Besucher in der bis zum 8. Juni in der Berliner Staatsbibliothek verweilenden Ausstellung "Brückenschlag. Polnische Geschichte in Karten und Dokumenten" verschaffen.

In wahrer Sammlerleidenschaft hat Niewodniczanski 3.500 alte Landkarten und Stadtpläne zusammengetragen, aber auch zahlreiche Pergamenturkunden, Briefe, Radierungen und Stiche, Zeitungen, Bücher, Wertpapiere und Münzen - allesamt konkrete Belege und Zeitzeugnisse seiner Heimat. Die Bandbreite der Stücke reicht von einer Bestätigung König Kasimirs des Großen über die Aufteilung von Landgütern aus dem Jahr 1364 über zahlreiche Karten des polnisch-litauischen Großreiches vom 18. Jahrhundert und einen eigenhändigenBrief Katharina der Großen, die einem Thronanwärter die Wahl zum polnischen König verspricht, bis zu Dokumenten des Zwischenkriegspräsidenten Pilsudski und Flugschriften der Gewerkschaft Solidarnosc.

Natürlich berührt eine Dokumentation der Geschichte Polens zugleich auch immer die Geschichte der Nachbarstaaten: Wie eng die Verknüpfungen zwischen deutscher und polnischer Geschichte sind, zeigt schon ein flüchtiger Blick auf die während der Regentschaft des Sachsenkönigs August des Starken an den polnischen König herausgebrachten Dokumente. Positiv fällt auf, daß Niewodniczanski auch an diffizilen Nahtstellen nicht einseitig Partei ergreift: So wird in der Ausstellung die Auflösung und Zerschlagung des polnischen Staates Ende des 18. Jahrhunderts nicht nur "expansionslüsternen" Nachbarstaaten angelastet, sondern auf die erhebliche Schuld des polnischen Adels verwiesen.

Die Ausstellung in der Staatsbibliothek - allerdings durch ungenügende räumliche Möglichkeiten im Gebäude nicht optimal inszeniert -stellt wahrscheinlich auf lange Sicht die letzte Möglichkeit dar, die interessanten Stücke hierzulande in Augenschein zu nehmen, da die Zukunft der Sammlungnoch vollkommen ungewiß ist. Da im privaten Umfeld kein Interesse besteht, hat Niewodniczanski sie polnischen Bibliotheken und Archiven als Schenkung angeboten - bislang mit unbefriedigendem Erfolg. Im Gegenteil - der Sammler klagt über ein spürbares Desinteresse polnischer Institutionen. So wurden zugesandte Kopien von Ausstellungsstücken weder mit der Bitte um Überlassung der Originale beantwortet noch der Forschung zur Verfügung gestellt. Nur so viel läßt sich wohl heute schon mit Gewißheit sagen: die Sammlung wird mit großer Wahrscheinlichkeit eines Tages an einem der beiden nächsten Ausstellungsorte - Warschau und Krakau - verbleiben.

 

Die Ausstellung"Brückenschlag. Polnische Geschichte in Karten und Dokumenten" ist noch bis zum 8. Juni in der Staatsbibliothek Berlin, Unter den Linden, zu sehen. Der Eintritt ist frei, der Katalog kostet 25 Euro.


 
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