© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/02 31. Mai 2002

 
Neue Chancen für Deutschland
Deutsch-russisches Wirtschaftsforum: Rußlands neue Unternehmer haben mehr zu bieten als Öl- und Gasgeschäfte
Iwan Melnikow

Am 21. Mai lud das "Lew Kopelew Forum" deutsche Firmenvertreter in die Industrie- und Handelskammer zu Köln ein, um sich auf dem Symposium "Rußlands neue Unternehmer" ein Bild ihrer östlichen Kollegen machen zu können. Als weitere Veranstalter traten die Kreissparkasse Köln, das Rußland-Kompetenzzentrum Düsseldorf und der einflußreiche Verband der Deutschen Wirtschaft in der Russischen Föderation auf.

Deutsche Unternehmen, die über ein Rußland-Engagement nachdenken, sind vielfach noch sehr vorsichtig - im internationalen Vergleich zu vorsichtig - und verpassen dadurch den rechtzeitigen Sprung auf diesen wachsenden Markt. Die meist geringen Markteintrittskosten in den russischen Regionen und die deutlich niedrigere Wettbewerbsintensität lassen ausländische Firmen die Gewinnschwelle bereits nach einem (gilt für ein Drittel) bis drei (gilt für zwei Drittel) Jahren erreichen, sofern alles professionell geplant und durchgeführt wird. Dies hat eine Studie der WestLB in Verbindung mit "Droege & Comp." ergeben. Um dem deutschen Mittelstand diese Chancen glaubwürdig vermitteln zu können, muß zuerst einmal Vertrauen in die russische Wirtschaft aufgebaut werden. Beim Symposium "Rußlands neue Unternehmer" wählten die Veranstalter einen neuen Weg, dieses Ziel zu erreichen.

Sie luden die crème de la crème der jungen russischen Unternehmergeneration ein, die sich in den vergangenen Jahren eigene Wirtschaftsimperien in ihrem Heimatland aufgebaut hat. Diese heute 30 bis 35jährigen haben ihre Firmen nicht nur nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten strukturiert, sondern verfügen auch über Partner im Westen, mit denen zusammen sie bereits begonnen haben, ihre Waren und Dienstleistungen in Deutschland zu verkaufen.

So ist im Bereich der Anti-Viren-Programme "Kaspersky Lab" nicht nur Marktführer in Rußland, sondern bereits heute eine Firma mit Weltgeltung. In enger Kooperation mit dem deutschen Marktführer auf dem Gebiet der Verschlüsselungssoftware "Steganos GmbH" ist "Kaspersky Lab" nun auch auf dem deutschen Markt präsent.

Bisher haben die deutschen Verbraucher noch nichts von feinsten Pralinen aus dem Hause "A. Korkunow", von Fruchtsäften und Milchprodukten der "Wimm Bill Dann"-Gruppe oder von neu entwickelten Medikamenten des Pharmaherstellers Nishpharm gehört.

Qualitativ hochwertige Folienverpackungen aus Polypropylen, Polyamid oder mit Metallbeschichtung werden inzwischen auch in Rußland durch die Firma Multiflex in Moskau hergestellt. Deutsche Unternehmer wissen oftmals gar nicht, daß sich die russische Luftfahrtindustrie unter Mithilfe der "GK Kasol" neu strukturiert - unterstützt unter anderem durch die EADS aus München, Europas größtem Luft- und Raumfahrtkonzern. Die Nikoil-Finanzgesellschaft bietet sich als seriöse Investitionsbank für ausländische Investitionen in Rußland an. Kooperationspartner ist hier die Westdeutsche Landesbank Vostok, eine Tochter der WestLB.

Die genannten Unternehmen sind alle Neugründungen aus der Nach-Gorbatschow-Zeit und werden nach marktwirtschaftlichen Prinzipien geführt. Sie gehören zu den führenden Firmen ihres Landes und haben bereits begonnen, den Sprung auf ausländische Märkte zu wagen, wobei Deutschland im Zentrum des Interesses steht. Dadurch können sie gegenüber Zweiflern und Bedenkenträgern demonstrieren, daß in Rußland entgegen vieler Erwartungen gute Geschäfte gemacht werden können. Schon heute bringt Rußland - auch außerhalb des Rohstoffsektors - Waren und Dienstleistungen hervor, die auch im Westen konkurrenzfähig sind. Die Annäherung an westliche Standards verdeutlichte auch Natalja Kasperskaja, Gründerin von "Kaspersky Lab": sie klagte, daß gute Projektmanager kaum zu bekommen seien. Um gute Programmierer halten zu können, müsse ihre Firma ein umfangreiches Sozialpaket als zusätzlichen Anreiz bieten. Gleichzeitig gäbe es viele Arbeitslose, deren Qualifikationen aber nicht ausreichten, um die geforderte Arbeit bewältigen zu können. Hören wir dieselben Klagen von Seiten der Arbeitgeber nicht auch im Westen?

Natürlich ist in Rußland noch vieles anders als in Deutschland. Das Symposium "Rußlands neue Unternehmer" - von dem sogar der Sender Phoenix berichtete - hat jedoch eindrucksvoll untermauert, daß in dem Riesenreich eine neue Generation herangewachsen ist, die auch im wirtschaftlichen Bereich in der Lage ist, Höchstleistungen zu erbringen. Diese Taten vermitteln glaubwürdiger als tausend Worte, daß es inzwischen berechenbare Partner für deutsche Unternehmen gibt, die sich in Rußland engagieren wollen.

Insofern haben die Veranstalter ihr Ziel erreicht, Vertrauen in den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen zu schaffen. Abgerundet wurde das Symposium durch eine Abendveranstaltung, auf der Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, NRW- Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) und der Vorsitzende des Kopelew-Forums, der WDR-Journalist Fritz Pleitgen, die guten Perspektiven in den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen ausmalten.


 
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