© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/02 31. Mai 2002

 
Kolumne
Verkehrte Welt 
Heinrich Lummer

Es gab einst einen Regierenden Bürgermeister, der den Schutz der USA mit den Worten beschwor: "Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt." Und die Amerikaner haben Wort gehalten: Berlin dankt seine Freiheit seinem Selbstbehauptungswillen - und den USA. Der heutige Regierende Bürgermeister wollte sich dagegen während des Präsidentenbesuches nach Australien verdrücken. Das reimt sich nicht.

Die USA haben gewiß gerade in der Außenpolitik Fehler begangen. Sie dafür zu kritisieren, ist nicht nur erlaubt, sondern sogar nötig. Aber die Amerikaner haben weder ganz Osteuropa unterjocht, noch einen Krieg gegen Tschetschenien geführt. Die USA sind eine Demokratie, die Sowjetunion war ein totalitärer Staat, die Nachfolgestaaten sind allenfalls "Demokraturen". Die sowjetischen Herren damals und die russischen heute werden von den Chaoten geschont; den Besuch eines Präsidenten einer Demokratie begleiten gewalttätige Demonstrationen - das ist schizophren.

Da sind zwei Parteien in der Regierung, die PDS in Berlin und die Grünen im Bund, deren Spitzen predigen Anstand und Fairneß gegenüber den USA, aber deren Mitglieder beteiligen sich an Demonstrationen gegen den "Kriegstreiber" USA. Das sind unglaubwürdige Eiertänze.

Just diejenigen, nämlich die Jünger der SED/PDS, gegen die uns Amerika in Berlin verteidigen mußte, demonstrieren nun gegen eben diese, nachdem sie Afghanistan vom totalitären Fundamentalismus befreit haben. Aber nun demonstrieren sie als Regierungspartei in Berlin - die Böcke werden zu Gärtnern.

Derjenige, der ohne weiteres als Befürworter gewalttätiger Demonstrationen bezeichnet werden konnte, fordert nun von seinen geistigen Nachfahren die gewaltfreie Demonstration. Amt und Mandat ändern wohl den Menschen.

Der gleiche Joseph Fischer und sein Kanzler Gerhard Schröder haben "uneingeschränkte Solidarität" zu den USA gelobt, aber ihre Parteien demonstrieren Schonung für Saddam Hussein. Die "uneingeschränkte" Solidarität entpuppte sich als eingeschränkte Solidarität. Dann gibt es die stets weinerlich politisierende Theologin Antje Vollmer, die die USA-Politik als fundamentalistisch kritisiert und dann meint, man solle dennoch die USA nicht dämonisieren. Denn: "Amerika ist nicht nur George Bush." Diesen dagegen, den gewählten Präsidenten, darf man getrost dämonisieren. Welch eine Überheblichkeit. Man meint, in einer verkehrten Welt zu leben, und das mitten in Deutschland.

 

Heinrich Lummer, Berliner Innensenator a. D., war bis 1998 Bundestagsabgeordneter der CDU.


 
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