© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/02 31. Mai 2002

 
Schill feuert Kritiker
Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Selenz, Mückenberger und Moderegger von Posten enthoben
Peter Freitag

Mit einem Paukenschlag beendete der Vorstand der Schill-Partei am Montagabend die Querelen um die kontrovers diskutierte Frage, ob man mit eigenen Listenvorschlägen zur Bundestagswahl antrete oder nicht. Die Landesbeauftragten Martin Moderegger (Thüringen), Dieter Mückenberger (Nordrhein-Westfalen) und Hans-Joachim Selenz (Niedersachsen) wurden mit sofortiger Wirkung ihrer Posten enthoben.

Parteivize Dirk Nockemann teilte auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit, man brauche für diese Aufgaben "Personen von integrativer Wirkung" und dies sei durch die entsprechenden Herren nicht mehr gewährleistet. Bereits zuvor ließ die Wortwahl in den Berichten der Tagespresse über die aktuellen Auseinandersetzungen innerhalb der Schill-Partei an Dramatik nichts zu wünschen übrig: Von "Aufstand" war die Rede, von "Putschisten" und "Dissidenten". Aus der Kontroverse war ,"so der Tenor diverser Artikel", die Machtfrage in der Partei geworden. Die Kritik von Mitgliedern außerhalb Hamburgs an der bisher ablehnenden Haltung des Bundesvorsitzenden Ronald Schill wurde zu einer Infragestellung seiner Person gemacht und umgehend das Szenario einer "Schill-Partei ohne Schill" entworfen.

Auslöser dafür war ein "Masterplan" des Thüringer Landesbeauftragten Martin Moderegger, der an das Hamburger Abendblatt lanciert wurde. Moderegger fordert darin vehement das Antreten zur Bundestagswahl mit dem Argument, die Mitglieder in Thüringen (nach eigenen Angaben mit Stand vom April 2002: 74) "zahlen ihre Beiträge nicht dafür, daß Herr Schill in Hamburg ein paar Dealer fängt". Da die Hamburger Parteiprominenz jedoch um "ihre Pfründe" fürchte und der Bundesvorsitzende Schill "aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur" nicht zu einem bundesweiten Antritt zu bewegen sei, müsse die Abwahl des bisherigen und Wahl eines neuen Vorstandes einkalkuliert werden, heißt es in Modereggers Papier weiter.

Während Schill selbst die Angelegenheit nach außen hin zunächst mit Gelassenheit aufnahm und die Vorwürfe abfederte durch das Bekenntnis, er sei bei Änderung der Lage und durch gute Argumente sehr wohl umzustimmen, reagierten seine beiden Vize, Bausenator Mario Mettbach und Schills Bürochef Dirk Nockemann gereizter: Mettbach kündigte gegenüber dem Hamburger Abendblatt die nun vollzogenen Ordnungsmaßnahmen gegen unbotmäßige Mitglieder bereits an, Nockemann sekundierte, man lasse sich "die Partei doch von solchen Newcomern nicht kaputtmachen". Wer diese "Newcomer" sind, offerierte diese Zeitung ihren Lesern sogleich: Neben Moderegger angeblich die Landesbeauftragten Dieter Mückenberger und Hans-Joachim Selenz. Die wiesen am Montag noch derartige Vorwürfe und Verdächtigungen vehement von sich. "Keiner von uns hat ein Interesse am Dissens mit dem Bundesvorstand, die Gerüchte um einen Putsch haben keinen realen Boden", so Mückenberger gegenüber der jungen freiheit. An der in Nordrhein-Westfalen mehrheitlich herrschenden Auffassung, man solle zur Bundestagswahl antreten, habe sich nichts geändert, so Mückenberger weiter, allerdings wolle man dies auf demokratischem Wege über die Abstimmung auf dem neu einzuberufenden Parteitag erreichen.

Auch Selenz nannte im Gespräch mit der JF den vermeintlichen Aufruhr einen Alleingang Modereggers. Der habe lediglich für seinen Plan ohne Zusammenhang und daher sinnentstellend aus einem Papier zitiert, das Klaus Veuskens "einer der niedersächsischen Koordinatoren" nach Absprache mit Parteivize Mettbach ausgearbeitet und bereits Mitte April der Hamburger Parteizentrale vorgelegt habe. Dieses als "Gedankensammlung" bezeichnete Arbeitspapier, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, befaßt sich mit den für die Bundestagswahl anstehenden Bereichen Zeitplan, Programm, Kandidaten und Finanzen; ausdrücklich heißt es am Anfang, dies Gedankenspiel gehe "von dem Fall aus, daß die zuständigen Gremien der Partei eine Teilnahme an der Bundestagswahl beschlossen haben".

Auf erklärten Wunsch Mettbachs sei das Papier von Veuskens sehr konkret formuliert worden. Es sei als Unterstützung für den Bundesvorstand gedacht gewesen, so Selenz, dort aber augenscheinlich nicht zur Kenntnis genommen worden. Erst durch Modereggers Vorpreschen habe es eine gegen Schill gerichtete Brisanz bekommen, die ausdrücklich nicht im Interesse der Verfasser gewesen sei. Dies habe er, so Selenz, in einem Brief vom 13. Mai dem Bundesvorsitzenden auch noch einmal mitgeteilt. Für nicht ausgeschlossen hält es Selenz jedoch, daß es "von interessierter Seite" beabsichtigt gewesen sei, Mückenberger und ihn in Zusammenhang mit angeblichen "Putschplänen" zu nennen und ihre Bestrebungen eines Antretens zur Bundestagswahl auf diese Weise zu diskreditieren.

Während Schill sich zunächst gegenüber dem Hamburger Abendblatt noch dahingehend geäußert hatte, er könne "wenn sich die Lage verändert habe" einen Antritt zur Bundestagswahl doch vorstellen und sich der Union als Alternative zur FDP empfahl ("Die Äußerungen von Herrn Möllemann, der Verständnis für Terroristen zeigt, machen mich fassungslos"), ruderte er im Gespräch mit der Welt sogleich wieder zurück: Er stehe als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl solange nicht zur Verfügung, wie nicht mit Sicherheit ein Überspringen der Fünfprozenthürde gewährleistet sei. Dies dürfte nun mit dem an den "gesägten" Koordinatoren vollzogenen Schritt des Vorstandes, der eine bundesweite Ausdehnung wieder um Längen zurückwirft, wohl noch unwahrscheinlicher geworden.


 
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