© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/02 31. Mai 2002


Kaschmir-Punsch
von Peter Lattas

Indien und Pakistan juckt es in den Fingern, einen amerikanischen Traum zu verwirklichen: den begrenzten Atomkrieg. Delhi und Islamabad haben die von den USA ausgegebenen Parolen genutzt, um den Streit um Kaschmir nach Kräften zu eskalieren. Pakistans Herrscher Pervez Musharraf glaubte sich unentbehrlich genug, um im Windschatten der Weltmacht den Aufstand im indischen Teil des überwiegend muslimischen Gebirgslandes wieder anheizen zu dürfen; Indien brandmarkt den Erbfeind dafür in bester Bush-Rhetorik als "Epizentrum des internationalen Terrorismus".

Dabei sind sowohl die Militärdiktatur Pakistan mit ihren weitverzweigten Geheimdienstverbindungen als auch Indien, das sich in Kaschmir als brutale Besatzungsmacht geriert, eigentlich selbst "Schurkenstaaten". Gleiches gilt für China, das den Nordosten Kaschmirs okkupiert. Weil aber alle drei Atommächte und nützlich sind, haben sie Narrenfreiheit. Eine sinnvolle Lösung des Kaschmir-Konflikts, die entweder ethnischen Kriterien folgen oder in Wiedervereinigung und Unabhängigkeit des dreigeteilten Landes münden müßte, ist schon deswegen unmöglich. Kaschmir ist ein brisanter Punsch aus den Sünden der britischen Kolonialpolitik und den Risiken und Nebenwirkungen des amerikanischen Anti-Terror-Feldzugs. Die deutschen Soldaten im Nachbarland Afghanistan stehen mitten in einer Krisenregion, die mit dem Bau von potemkinschen Kulissen für einen landlosen Übergangspräsidenten noch lange nicht "befriedet" ist.


 
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