© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/02 31. Mai 2002


Wolfgang Venohrs Autobiographie
Geschichte eines Deutschen
Dieter Stein

Vor etwa drei Jahren hatte mich Wolfgang Venohr das erste Mal auf sein Buch angesprochen. Ein Manuskript, noch auf Schreibmaschinenseiten geschrieben, sollte ich lesen. "Die Abwehrschlacht" lautete der Titel. Ich war davon begeistert. Wolfgang Venohr, der große deutsche Publizist, der mit seinen Fernsehdokumentationen aus der DDR, seinen Porträts "Außergewöhnlicher Außenseiter", seinen Diskussionssendungen mit Sebastian Haffner und Hellmut Diwald Aufsehen erregt hatte, schrieb erstmalig über seine Kriegserlebnisse. "Soll ich das wirklich rausbringen?", fragte mich Venohr. Natürlich mußte es erscheinen. Nun ist es in der EDITION JF, im Verlag der JUNGEN FREIHEIT, herausgekommen und seit dieser Woche im Buchhandel.

In einem großen Interview, das wir in der vergangenen Woche führten und das wir auf Seite 8 und 9 dieser Ausgabe drucken, sprachen wir über die Bedenken, die Wolfgang Venohr mit der Veröffentlichung des Buches hatte. Die wesentlichen Notizen hatte er bereits nach dem Kriegsende 1945 niedergeschrieben. Bis zuletzt sollte das Buch "nur für meine Familie und meinen engsten Freundeskreis bestimmt" sein.

Wolfgang Venohr spricht hier erstmals darüber, wie er sich 1942 als Kriegsfreiwilliger bei der Waffen-SS meldete. Er schildert die unideologische Vaterlandsliebe der jungen 17- bis 20jährigen, die glaubten, das Reich zu verteidigen und die erst nach der totalen Kapitulation von den Verbrechen erfuhren, die im Rücken der Front geschehen waren.

Wolfgang Venohr zögerte, weil er nicht sicher war, ob überhaupt noch richtig hingehört wird, ob die Erinnerungen eines Veteranen noch richtig verstanden werden. "Ich denke, daß die ganze junge Generation das nicht mehr verstehen kann", sagt er auf die Frage, wie er einem heute 17jährigen seine damalige Begeisterung für den Kriegseinsatz erklären würde.

Das Buch erzählt nicht nur vom Einsatz in den infernalischen Abwehrkämpfen an der Ostfront bis zum Zusammenbruch in Berlin, sondern auch von der Realität der Inhaftierung unter westalliiertem Kommando, der Konfrontation mit den Verbrechen des Dritten Reiches und dem politischen Neubeginn in Berlin.

Daß Venohr das Buch doch noch veröffentlichte, verdanken wir den Verleumdungen der Anti-Wehrmachtsausstellung: "Als ich erleben mußte, wie die ganze Wehrmacht und damit auch meine gefallenen Kameraden als ein Haufen Verbrecher dargestellt wurden, da war ich mir klar darüber: Ich muß meine Erinnerungen an die Öffentlichkeit bringen, die ja beweisen und dokumentieren, wie diese jungen Leute, die damals 17 bis 20 Jahre alt waren, sich immer wieder dem Feind entgegengeworfen haben und dabei alles andere waren, nur keine Verbrecher."

Wolfgang Venohr verklärt das Soldatische nicht. Sein Buch ist eine schonungslose Schilderung von Pathos, Heroentum, Tragödie und Desaster einer Generation, die mit Deutschland zum Paria Europas wurde. Es ist gut, daß uns Wolfgang Venohr seine Geschichte erzählt. 


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