© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/02 24. Mai 2002

 
Wie bei Hempels unterm Sofa
Der Landesrechnungshof prüft das Schleswiger Institut für Zeit- und Regionalgeschichte und staunt über desolate Verhältnisse
Jochen Arp

Seit seiner Gründung wird das Institut für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte (IZRG) von Skandalen begleitet. Jetzt hat der Landesrechnungshof nach gründlicher Prüfung dieses sich der Vergangenheitsbewältigung widmende Institut empfohlen, "den gegenwärtigen Rechtsstatus des Instituts in eine Hochschule zu integrieren" und zu prüfen, "ob die den IZRG obliegende politische Bildung von einer anderen schleswig-holsteinischen Einrichtung wahrgenommen werden könnte".

Schon zu der Zeit, als die SPD in Schleswig-Holstein noch in der Opposition war und CDU und FDP gemeinsam regierten, betrieben die Sozialdemokraten die Gründung eines Instituts zur Erforschung des Nationalsozialismus. Es sollte nicht der Kieler Universität angeschlossen werden, sondern unabhängig und selbständig die Vergangenheit aufarbeiten.

Hinter solchen SPD-Vorstößen steckte Uwe Danker, ein junger sozialdemokratischer Historiker, der sich mit seiner Doktorarbeit über Räuberbanden in frühen Neuzeit "qualifizierte". Er war eifrig damit beschäftigt, über die Partei seine Karriere anzuschieben. Zunächst diente er in Hamburg unter Leitung Egon Bahrs im Friedensforschungsinstitut, um dann nach Kiel überzusiedeln, als er Pressesprecher der schleswig-holsteinischen SPD wurde. Nebenher wurde er aktiv im Beirat für die Geschichte der Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein, einer Einrichtung der SPD-Gesellschaft für Politik und Bildung in Schleswig-Holstein mit Sitz an der Gustav-Heinemann-Bildungsstätte in Malente. Danker machte sich unentbehrlich, indem er Anfragen der oppositionellen SPD an die bürgerliche Mehrheit im Landtag richtete, was es denn mit "Rechtsextremen" im Lande auf sich habe oder mit der angeblichen Ballung von ehemaligen NS-Größen im Land zwischen Nord- und Ostsee. Stets wurde dann in der sich daraus ergebenden Debatte deutlich, wohin Danker und seine Parteifreunde zielten. Sie schürten immer wieder den Verdacht, daß die Schleswig-Holsteiner seit Kaisers Zeiten eigentlich reaktionär völkisch-deutschnational und von "dumpfer" Heimattümelei besessen waren und sich folglich als ideale Wegbereiter des Nationalsozialismus denunzieren ließen. In der CDU sahen sie eine Art Nachfolgeorganisation der NSDAP, die es nur zu entlarven galt. Als diese nach der Barschel-Pfeiffer-Affäre von der Kieler Regierungsbank gedrängt wurde, schlug Dankers große Stunde. Er konnte in der SPD einflußreiche Leute gewinnen, die nun die Gründung eines "unabhängigen" IZRG betrieben. Zunächst ging es darum, ob das Institut nicht besser an die Kieler Universität anzuschließen sei. Das war weder im Sinne der SPD noch ihrer Junghistoriker. Sie verdächtigten die Universität kurzerhand, die Zeitgeschichtsforschung vernachlässigt zu haben. Daher lehnte die rot-grüne Landesregierung deren Entwürfe, die sich auf grundsätzliche Empfehlungen des Wissenschaftsrates stützten und die eine inneruniversitäre Lösung anboten, ab. Die Arbeit des parteinahen Instituts sollte mit wissenschaftlichem Ballast offenbar nicht belastet werden.

Die SPD setzte sich durch. Das Institut wurde in Schleswig angesiedelt und galt als sogenanntes An-Institut zur damaligen Pädagogischen Hochschule Flensburg. Schwierig wurde Dankers Installierung als Professor, hatte er doch keine Habilitation aufzuweisen. Aber auch das wurde durchgedrückt, indem man ihn zunächst für eine befristete Zeit zum Professor ernannte, mit der Maßgabe, innerhalb einiger Jahre die Habilitation nachzureichen.Tatsächlich ernannte man ihn dann, ohne auf "Kleinigkeiten" wie die Habilitation zu warten, zum Professor auf Lebenszeit.

Uwe Danker entwickelte erhebliche propagandistische Talente. Zu allem nahm er in Ausstellungen, Seminaren, Presseartikeln und Vorträgen Stellung, ob es sich dabei um die allgemeine politische Geschichte handelte oder um die Probleme des Plattdeutschen, ob um Militärgeschichte oder Heimatbewegung. Danker wußte alles. Zum 50. Jahrestag der deutschen Kapitulation verfaßte er eine Presseerklärung mit der Überschrift: "Da es sonst keiner macht: Wir danken den britischen Befreiern." Als ein Jahr später der sozialdemokratische Landtagspräsident Heinz-Werner Arens eine Aufsatzsammlung "50 Jahre gewählter Landtag" herausgeben wollte, platzte das Objekt aufgrund des heftigen Protestes von CDU und FDP, weil die Aufsätze allzu einseitig und parteilich ausgefallen waren.Vier Aufsätze in dem Buch stammten von Danker. Das Buch wurde eingestampft. Zustimmung bei der Landesregierung fand eine Gedenkausstellung "Ende und Anfang Mai 1945", an der Danker maßgeblich mitgearbeitet hatte und zu deren Eröffnung "der feinsinnige Hamburger Querdenker Jan Philipp Reemtsma", (SPD-Landtagspräsidentin Ute Erdsiek-Rave), die Festansprache hielt.

Immer wieder aber stieß die Parteilichkeit von Dankers Institut auf Kritik. Nicht nur die FAZ fand ebenso beißende wie sachlich begründete Bemerkungen über das Gekungel um die "alten Kameraden", sondern sogar die Süddeutsche Zeitung äußerte sich 1999 ausführlich über den Kieler "Professor von Ministers Gnaden". 1994 führte die damalige Kultusministerin Marianne Tidick (SPD) aus, welchen Auftrag das Institut habe: Es sollte eine Dokumentation über die Geschichte der Judenverfolgung in Schleswig-Holstein schaffen ebenso wie eine solche der "blutigen Geschiche der Marinekriegsgerichtsbarkeit". Außerdem wollte die Ministerin durch das Institut geklärt wissen, "warum ehemalige Gestapo-Mitarbeiter, Mitarbeiter des Reichssicherheitshauptamtes, Mitarbeiter der NS-Sondergerichtsbarkeit und ehemalige Kriegsgerichtsräte in öffentlichen Funktionen des Landes weiterwirken konnten." Frau Tidick forderte zusätzlich, Danker möge ermitteln, "warum die Zahl der Gerichtsverfahren zur Aufarbeitung der NS-Gewaltverbrechen in Schleswig-Holstein so gering blieb". Die Arbeiten wurden bis zum heutigen Tag nicht veröffentlicht.

Jetzt hat der über solchen Problemen stehende Landesrechnungshof (LRH) sich das Institut vorgenommen und kommt zu erschütternden Ergebnissen. Der Landesregierung wirft der LRH vor: "Die Veranschlagung der Haushaltsmittel im Haushaltskapitel der Universität Flensburg (für das Institut) verstößt gegen den Grundsatz der Haushaltsklarheit und -wahrheit, denn das Institut (...) ist als An-Institut kein Teil der Hochschule."

Im Institut geht es offenbar zu wie bei Hempels unterm Sofa. Der Rechnungshof: "Ein Aufgaben- und Geschäftsverteilungsplan für das Institut sowie eine Geschäftsordnung für den Vorstand und das Kuratorium existiert nicht. Protokolle über Vorstandsbeschlüsse lagen in der Regel nicht vor." Weiter: "Die rechtswirksame Vertretung des IZRG gegenüber Dritten (ist) unklar." "In mehreren Fällen wurden die personalrechtliche Auswahl oder hochschulrechtlich vorgeschriebenen Verfahrensgrundsätze bei der Besetzung der Planstellen nicht beachtet." Man entnimmt dem Bericht, daß es innerhalb des Instituts unter den Mitarbeitern zu erheblichen Konflikten gekommen sein muß, die die volle Arbeitsfähigkeit des IZRG spürbar behindert haben. So verließen Anfang 2000 zwei Wissenschaftler aufgrund unüberbrückbarer Personalkonflikte das IZRG.

Wenn es um die Vergabe von Aufträgen etwa für den Druck von Broschüren ging, dann sei "das Vergabeverfahren wegen mangelnder Dokumentation nicht immer nachvollziehbar; das grundsätzliche Ausschreibungsverbot wurde in den geprüften Fällen nicht beachtet." Weiter: "In einigen Fällen (wurde) das bundesweite Kostenrecht nicht beachtet." Von den immer wieder angekündigten Veröffentlichungen von Forschungsprojekten ist nahezu nichts verwirklicht worden. "Bis 2001 ist aus dem anfänglichen Arbeitsprogramm nur eine Monographie hervorgegangen."

Es ist erstaunlich, daß trotz der mangelnden Effizienz und trotz der desolaten Verhältnisse die VW-Stiftung zwischen 1989 und 2000 dem IZRG etwa 100.000 Euro für Forschungszwecke gewährte. Wenn es nach dem Landesrechnungshof ginge, müßte aufgrund der angetroffenen Verhältnisse das Institut geschlossen werden.

Das SPD-Wissenschaftsministerium aber sieht "keine Veranlassung", dieser Schlußfolgerung zuzustimmen - die massive Kritik des Landesrechnungshofes verhallt ungehört.


 
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