© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/02 24. Mai 2002

 
Wozu noch zwei Geschlechter?
Die Ausstellung: "Sex - Vom Wissen und Wünschen" im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden vermittelt ein fragwürdiges Sexualverständnis
Ellen Kositza

In Sachsens Landeshauptstadt wirbt eine rasierte Achselhöhle auf großen Plakaten für die derzeitige Sonderausstellung "Sex - Vom Wissen und Wünschen" im Dresdner Hygiene-Museum. Die insgesamt neun Monate währende Schau "Sex" bildet den Abschluß einer dreiteiligen Reihe, die 1993 mit "Unter anderen Umständen - Geschichte der Abtreibung" begann und 1996 mit einer Ausstellung über die "Pille" fortgesetzt wurde. Mit erwartungsfrohen Gesichtern strömen Schüler in Massen in das Museum und finden neben sachlicher Dokumentation etwa über die Genese verschiedener Gesetze zur Homosexuellenpolitik und zum Paragraph 218 ausreichend Kicher- und Erregungsstoff; ältere und moderne Aufklärungsschallplatten zum Mithören, eine per Magnetresonanzverfahren aufgenommene Innensicht eines Geschlechtsakts, eine funktionsfähige Cybersex-Vorrichtung. Da es neben der Wissenschaft die Kunst ist, die Entgrenzungen und Enttabuisierungen in diesem Bereich vorweggenommen hat, werden "Science and Art", wie es heißt, zusammengeführt und in drei Räumen sortiert.

Dem Raum des "Wissens" mit einem bibliothekarischen Sammelsurium alter Stern-, Konkret- und Emma-Ausgaben zum Thema und mannigfaltiger Literatur von dereinst verbotenen "Sittenromanen" der fünfziger Jahre über feministische Traktate bis zum "Lexikon der Lustmittel" folgt die Halle der "Praxis" mit einer Verhütungsmittelschau und Informationen über außersexuelle Fortpflanzung. Der letzte Raum bietet "künstlerische" Projektionen, etwa einen Zeichentrickfilm über einen dauergeilen Hund oder die monotone Selbstinszenierung eines in Unterhosen tanzenden Fettleibigen.

Maßgebend für die Konzeption der von verschiedenen Pharmakonzernen finanziell unterstützten Ausstellung ist die bejahend vorgetragene Sicht, daß heute die "Trennung von Sexualität und Fortpflanzung durch die Angebote der Reproduktionsmedizin endgültig vollzogen" sei. In den Raum gestellt wird die Frage, wozu, wenn Mann und Frau für die Zeugung nicht mehr wichtig seien, es überhaupt zwei Geschlechter gäbe. Diese Frage heischt nach keiner anderen Antwort als der, daß dieses "binäre Schubladendenken" überholt sei.

Die Sonderführung unter dem Motto "Are you a man or a woman? - No." ist eine der allmittwöchlichen Führungen, die die Ausstellung unter verschiedenen Themenstellungen - etwa der kryptischen Überschrift "Geschlecht in Bewegung" oder "Partnerschaft und sexuelle Selbstbestimmung" - begleiten. Anhand historischer Exponate, "zwischengeschlechtliche" Menschen betreffend und Rückgriffen auf das Tierreich wird "Intersexualität" als adäquate und aufgeklärte Lebenshaltung und Geschlechtlichkeit feilgeboten. Aktionsziel der Dresdner "TransID"-Gruppe, die durch die Ausstellung führt, ist die gesellschaftliche und datenrechtliche Anerkennung der "selbstgewählten sexuellen Identität". Als ein historisches Vorbild gilt ein Dresdner der Vorkriegszeit, der mangels weiblichen Modells für seine kunstmalende Gattin einmalig in Frauenkleidung schlüpfen wollte und hierbei nach Jahrzehnten zufriedenen Mann-Seins seine wahre Bestimmung fand. Lili Elbe, wie er sich nun nannte, verstarb bei seiner letzten Geschlechtsoperation, die ihm zu Gebärfähigkeit verhelfen sollte.

Einerseits wird das Denken in Stereotypen (Mann: kantiges Gesicht, Frau: höhere Stimme) gerügt, andererseits stellt sich heraus, daß die große Bandbreite heute gängiger Moden in bezug auf ihre geschlechtliche Spezifität - sprich: der populäre Unisex-Stil - ein nicht kleines Problem darstellt für die geschlechtswechselnden "Transgender", und so muß mit präzisierenden Utensilien abgeholfen werden, etwa einem Silikon-Penis, der die natürlicherweise nicht vorhandene "Beule in der Hose" (O-Ton) bei Frau-zu-Mann-Transsexuellen vortäuscht. "Gottseidank" übernehmen heute die Krankenkassen die nicht ganz billige Investition - (350 Euro) für die in die Unterhose zu knöpfende, an sich funktionslose Vorrichtung.

Ins Gästebuch, immer eine Art Herzstück von Ausstellungen, haben sich vor allem Schulklassen ("Geil!") verewigt, auch Grundschüler, daneben eine gefrustete, anonyme Feministin mit dem Lob, daß hier "sehr anschaulich die schädlichen Formen der Heterosexualität in Form der vielen Mütter und Kinder" vorgeführt würden

Der Katalog zur Ausstellung - unter dem Schirmherren-Motto "Sex ist gesund" des Hauptsponsors, der DKV (Deutsche Krankenversicherung AG) - verfährt nicht exponatorientiert, sondern beinhaltet Essays und Kurzgeschichten zum Thema, unter anderem von Ingo Schulze und Alissa Walser.


 
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