© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/02 24. Mai 2002

 
Deutsch-polnische Schamgemeinschaft
Zentrum gegen Vertreibung: Der Bund der Vertriebenen sollte sich auf keine Diskussion über den Standort einlassen
Doris Neujahr

Den Brief, den die polnischen Publizisten Adam Michnik und Adam Krzeminski wegen des "Zentrums gegen Vertreibung" an die Regierungschefs in Deutschland und Polen gerichtet haben, liest man mit innerer Bewegung, auch wenn man ihren Vorschlag, das vom Bund der Vertriebenen (BdV) initiierte Projekt in Breslau statt in Berlin anzusiedeln, nicht teilt. Die Anregung stammt ursprünglich vom SPD-Bundestagsabgeordneten Markus Meckel (JF 14/02).

Ausdrücklich erinnern sie an die Tragödie, die 1945 über die deutschen Breslauer hereinbrach, und sprechen in diesem Zusammenhang von der deutsch-polnischen "Schamgemeinschaft". Der Standort Breslau soll nun das Wunder besiegeln, daß Stalins Plan, Polen und Deutsche durch die Oder-Neiße-Grenze dauerhaft zu verfeinden, grandios gescheitert ist. Krzeminski und Michnik sind europäische Intellektuelle, an deren Ehrenhaftigkeit kein Zweifel besteht.

In Deutschland stellt sich die Situation anders dar. Hier sind die Befürworter vor allem diejenigen, die eine aktive Erinnerung an 15 Millionen vertriebene Deutsche verhindern oder in ein hinterhältiges Schuld-und-Sühne-Konstrukt sperren wollen. Die Breslau-Lösung ist für sie ein Hebel, um das ganze Projekt zur Farce zu machen.

Natürlich fällt Breslau, von der Bundesrepublik aus gesehen, nicht aus der Welt. Aber das trifft aus polnischer Perspektive auch auf Berlin zu. Der BdV sollte unbedingt den Kontakt zu Krzeminski und Michnik suchen, um die gesellschaftliche und intellektuelle Basis für sein Vorhaben zu stärken. In der Frage des Standorts aber darf er sich auf keine Diskussion einlassen.


 
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