© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/02 17. Mai 2002


Im Land der dunklen Wälder
Das zehnte Jahrestreffen des "Schulvereins" bot Einblick in die Arbeit der Deutschen Schule Trakehnen
Moritz Schwarz

Zu seiner zehnten Jahreshauptversammlung lud Ende April der "Schulverein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen" ins fränkische Schloß Weißenstein bei Bamberg ein. Der Verein sammelt Spenden zur Finanzierung der "Deutschen Schule Trakehnen", die die Ansiedlung von Rußlanddeutschen im sowjetisch annektierten Nordostpreußen unterstützt.

1991 lag die ostpreußische Kriegsbeute mit der Unabhängigkeit der baltischen Staaten und Weißrußlands plötzlich etwa 500 Kilometer vom russischen "Mutterland" entfernt. Bald hörte man von litauischen und vor allem polnischen Stimmen, die dieses Gebiet ihrem Staat einverleiben wollten. Da von Seiten der Bundesregierung keine Initiative zu erwarten war, rief ein Freundeskreis um den Kieler Verleger Dietmar Munier die "Aktion Deutsches Königsberg" ins Leben, um neue Fakten für eine deutsche Perspektive der ehemaligen deutschen Ostprovinz zu schaffen. Da die Rußlanddeutschen, die seit der Öffnung des Gebietes 1990 zu Tausenden jährlich aus Sibirien und Kasachstan nach Nordostpreußen übersiedelten, bereits in der Enkelkindergeneration kein Deutsch mehr sprechen, beschloß man, mit der Gründung einer deutschen Schule in Trakehnen die rußlanddeutsche Ansiedlung zu flankieren. Und nicht nur Kinder, auch die Eltern und Großeltern - meist zwar noch der Sprache, aber kaum noch des Lesens und Schreibens mächtig - drücken hier die Schulbank. Der Vorsitzende, Hennig Pless, sieht das Wirken des Vereins jüngst durch die Veröffentlichung der Vertreibungs-Novelle "Im Krebsgang" von Günter Grass ganz und gar bestätigt: "Es ist ein befriedigendes Gefühl, daß wir mit unserem Anliegen und Wirken offensichtlich stets hart am Puls der Zeit waren, obwohl wir lange als verlorene Minderheit erschienen sind."

Etwa 220 Freunde und Förderer trafen sich zur dreitägigen diesjährigen Hauptversammlung des Vereins in der prachtvollen Barockanlage des einstigen Schönbornschlosses. Neben den Formalien, wie Jahresbericht und Entlastung des Kassenwartes, standen politische und historische Vorträge, eine Diaschau, Volkstanz, der Auftritt der Theatergruppe der Deutschen Schule, die Liedermacherin Swantje Swanhwit und die Darbietung eines Oratoriums zum Thema Vertreibung auf dem Plan. Den Vortragsreigen, dem übersandte Grußworte sowohl des bayrischen Landtagspräsidenten Johann Böhm als auch des Historikers Michael Wolfsohn vorausgingen, eröffnete Ferdinand Fürst von Bismarck, Nachfahre des ehemaligen Reichskanzlers und heute Chef des Hauses. Er bot ein Potpouri konservativer Standpunkte zu Fragen der Zeit dar, wie er sie auch in seinem Buch "Anmerkungen eines Patrioten" behandelt. Der Historiker Herbert Fritz, der auch an der Deutschen Schule lehrt, bot einen vagen Vergleich des Schicksals von Kurden und Ostpreußen, während der Wirtschaftswissenschaftler und Buchautor Werner Obst über die Möglichkeiten einer "Rückgabe" Nordostpreußens an die Bundesrepublik Deutschland sprach. Leider ermangelten bis hierhin die Vorträge jeglicher Systematik und zeichneten sich auch nicht durch allzu große Nähe zum gestellten Thema aus. Immerhin sorgte Obst durch seine These, die Rückgabe Ostpreußens stünde noch in diesem Jahr bevor, für ungläubiges Staunen und hitzige Diskussionen. Wissenschaftliches Profil bot dagegen der Vortrag des Wiener Historikers Lothar Höbelt zum Thema "Ostpreußen und das Reich". Den Abschluß bildeten die Betrachtungen des langjährigen CDU-Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Berliner Innensenators Heinrich Lummer zum 11. September 2001.

Ein Lehrerpodium berichtete schließlich von den Erfahrungen und Fortschritten der Deutschen Schule. Heute unterrichten in Trakehnen ständig etwa 25 Lehrer aus Deutschland, Rußland und England mehrere Monate im Jahr auf ehrenamtlicher Basis, lediglich gegen Logis und ein Kostgeld, die Kinder der zwei rußlanddeutschen Siedlungen der "Aktion Deutsches Königsberg", Amtshagen und Agnes-Miegel-Siedlung. "Die Zahl der Schüler fluktuiert erheblich", erklärt der Geschäftsführer des Schulvereins, "da wir eine ganz unterschiedliche Zahl an Kursen anbieten, die auch unterschiedlich stark nachgefragt werden." Etwa die Hälfte der Schüler sind Russen, die den deutschen Unterricht zusätzlich zur russischen Schule am Nachmittag besuchen. Die Kinder lernen vor allem Deutsch, üben aber auch den Umgang mit Computern, die dank der vom Schulverein in Deutschland gesammelten Spenden angeschafft werden konnten. Zudem erhalten sie Unterricht in Musik, Kunst, Basteln, Landeskunde und studieren kleine Theaterstücke ein. Die musische Erziehung soll auch dazu beitragen, sowohl bei deutschen wie auch bei russischen Kindern ein ostpreußisches Landsmannschaftsbewußtsein zu entwickeln.

Die in Weißenstein anwesende russische Lehrerin Nadja Kolesnik sprach vom Bewußtsein der "ruhmreichen Tradition" Trakehnens, und ihre russischen Schüler stimmten am Schluß der Tagung, gemeinsam mit ihren deutschen Gastgebern das Ostpreußenlied an.

 

Kontakt: Schulverein zur Fördrung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen, Postfach 4028, 24039 Kiel


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